Wir haben uns einen Schrebergarten gekauft. Und das klingt erst einmal total spießig, nach Rosen und Thuja-Hecke und Steckzwiebeln. Aber so ist es nicht, bis auf die Steckzwiebeln vielleicht. Denn wir haben uns den Garten gekauft, um dort unser zweites Zuhause zu bauen. Mit einem großen Feld, auf dem wir Gemüse und Beeren zur Selbstversorgung anbauen, mit Obstbäumen und Wildblumen, die Bienen anlocken. Mit einem Insektenhotel, selbst gemachten Meisenknödeln und zwar das ganze Jahr, denn wir wollen viele Vögel sehen. Und mit viel Spiel- und Matschbereich für meine Kinder, die sich austoben und gleichzeitig lernen sollen, dass unser Gemüse nicht wie von Zauberhand über Nacht in grünen Kisten im Supermarkt nachwächst, sondern dabei sein sollen, wie neues Leben entsteht.
Spielen und Lernen ist im Alter meiner Kinder dasselbe. Wenn Bubba Ray uns beim Umgraben hilft, dann macht ihm das ungeheuren Spaß. Es ist keine Strafarbeit und dient nicht dazu „das Kind müde zu kriegen“. Ganz spielerisch lernt er, dass wir uns um unseren Boden kümmern müssen, in den wir anschließend Samen säen oder vorgezogene Pflanzen setzen. In ein paar Wochen schon wird er sehen, dass dort, wo er Kerne in das Feld steckte, echte Zucchini wachsen. Und jedes Mal, wenn wir in unseren Garten kommen, gießt oder umsorgt er einen Teil fast schon selbstständig.
Unser Garten ist aufgeteilt in einen großen Spiel- und Aufenthaltsbereich, eine Wiese zum Liegen oder Fußball spielen und in unser „Land“. In diesem Teil wird nur auf den befestigten Wegen gerannt und gelaufen und nur gearbeitet, wenn etwas anliegt. Ansonsten schlafen, essen und trinken dort unsere Pflanzen und die brauchen schließlich auch mal ihre Ruhe. Es war von Anfang an verständlich und absolut okay für Bubba, dort nicht zu buddeln, zu jagen oder mit dem Bobbycar zu fahren. Der Garten ist zweifelsohne sein Spielplatz und das soll auch so sein. Trotzdem hat er noch einen tieferen Hintergrund und ich möchte, dass meine Kinder diesen achtsam annehmen und respektieren: seine Nachhaltigkeit.
Nachhaltigkeit ist ein großes, sehr umfassendes Thema, das selbst mich immer wieder an meine gedanklichen Grenzen bringt und dessen Verantwortung ich einem Zweieinhalbjährigen keinesfalls aufbürden möchte. Aber der Garten ist auch etwas fürs Leben. Dort entsteht unser Essen, zumindest – da wir Veganer sind – ein Großteil und das sollte nicht irgendwas sein. Schließlich sollten meine Kinder von der ersten Minute an voll dabei sein können und so entschieden wir, nicht einfach nur Gemüse anzubauen sondern unseren Anbau biovegan zu gestalten.
Biovegan gärtnern
Ich legte ein paar Regeln fest: wir würden keinen Dünger nutzen, der nicht sowieso Abfallprodukt aus unserem täglichen Gebrauch sei. Also keinen chemischen, und damit auch keinen organischen aus Schlachthausabfällen, oder anderen tierischen Produkten und Nebenerzeugnissen.
Ausserdem legte ich fest, dass das Gemüse und Saatgut, das ich würde nutzen wollen, Bio-Qualitätsanspruch haben sollte. Klar, wenn man selber anbaut und auf Chemie verzichtet, könnte man ja theoretisch auch normale Pflanzen und Samen im Baumarkt kaufen. Das bleibt einem selbst überlassen, ich wollte aber von Anfang an nur Bio-Pflanzen in mein Feld setzen, also solche, die auch nur unter Bio-Richtlinien vorgezogen waren und Saatgut in Bio-Qualität. Samen sind Pflanzen im Ruhezustand, heißt es, und auch da wollte ich mir und meiner Familie die (indirekte) Einnahme von Chemie und tierischen Abfallprodukten ersparen.
Ich wollte, dass meine Kinder von der ersten Sekunde an mitmachen können, pure Natur, ohne Chemie.
Als dritten und letzten Punkt nahm ich mir vor, in unserem Garten möglichst viel der Natur zu überlassen. Unkraut sollte nicht gezupft und entsorgt werden, sondern zu Essbarem verwandelt werden. Es sollte keine künstlichen, quadratisch angelegten Blumenbeete geben, die Kinder sollten nicht nur auf den angelegten Wegen spielen können, wir wollten es nicht steril. Nein, stattdessen ließen wir unser Freiland eben auch frei, beließen es bei wenigen Steinplatten und einem Streifen mittendrin, sodass auch die kurzen Ärmchen an die Erde und das Gemüse kommen würden, wollten Bienenpflanzen säen, anstatt Rosen und legten neuen Rasen auf bisher ungenutzten Flächen an, auf dem man bald sitzen, liegen und spielen kann.
Unseren Dünger kaufte ich zunächst zur Probe im Bioladen, er ist rein vegan aus 100% pflanzlichen Stoffen – so konnte Bubba auch beim Düngen helfen. Ins Freiland arbeiteten wir neben dem bisschen reifen Kompost, den wir vom Vorbesitzer übernommen hatten, frische Bio-Erde aus dem Gartencenter ein und düngten mit Kaffeesatz, den wir eine Weile gesammelt hatten.
Es wird zudem keine Schnecken- oder sonstwas-Vernichtungsmittel geben, stattdessen bauen wir gezielt beliebte Pflanzen an, die Schnecken auffressen dürfen und sollen und hoffentlich – da vertrauen wir mal auf gutes Karma 😉 – dafür die anderen in Ruhe lassen. Wir haben sehr viele Hasen in der Anlage. Doch bis auf ein Kaninchen- und Nagergitter entlang der Zäune setzen wir sonst keine abschreckenden Stoffe ein. Wenn die unsere Möhrchen klauen, dann ist das eben so. Gleiches gilt für Wühlmäuse; unter unserem Hochbeet liegt ein Kaninchengitter, ja, aber natürlich nicht unter dem Land. Wenn sie sich durchwühlen und unsere Zucchini probieren möchten, dann ist das vielleicht ein wenig ärgerlich aber eben auch Natur. Genauso kommuniziere ich es auch an meine Kinder. Sie dürfen beim Apfelessen die Schale auf den Boden schmeißen, „für die Vögelchen“, nicht aber die Plastikhülle ihrer Schokolade, denn die dürfen die Vögelchen nicht fressen und unsere Umwelt macht das auch kaputt. Noch nie, wirklich noch nie, war das ein Problem oder Thema. Bubba begreift den Unterschied sehr schnell und freut sich übrigens kaputt, wenn ein Vogel ankommt und seine Schale wegschnappt. Mäusespuren in unserem Garten, Schnecken und anderes Getier, werden ihn begeistern. Noch dazu schult es ganz spielerisch unseren Umgang mit der Natur, ethisch und moralisch.
Nachhaltigkeit spielerisch beibringen
50% unseres Gemüses kaufen wir im Bioladen. Die übrigen 50% bekommen wir mit der ETEPETETE Gemüseretterbox zugeschickt. Wir achten auf regionale und saisonale Produkte. Wir meiden Plastik und Verpackungsmaterial so gut es geht. Wir recherchieren Produktionsbedingungen und informieren uns über Inhaltsstoffe. Wir essen nicht irgendwas und das geben wir auch unseren Kindern so weiter. Sie wachsen auf in einer Familie, in der Ernährung und Gesundheit einen sehr hohen Stellenwert hat. Darüber hinaus achten wir auf unsere Umwelt, Mitmenschen und Tiere. Auch wir wollen Spuren auf diesem Planeten hinterlassen, und diese sollen nachhaltig und ökologisch sein. Ich glaube nicht, dass man Kindern einen ethischen Umgang mit unserer Welt anerziehen kann. Sie lernen am Modell. Bubba’s hochsensible Geschmacksnerven sorgen häufig dafür, dass er sich nicht traut, etwas neues zu probieren. Altbekanntes isst er gern, doch selbst eine andere Konsistenz kann ihn verunsichern. Ich hoffe, dass es ihm leichter fällt, Dinge, die er praktisch selbst erschaffen hat, zu testen. Darüber werde ich berichten. Ich jedenfalls bin selber in der Natur groß geworden und kenne sehr viele – heute erwachsene – Menschen, die von Nachmittagen im Schrebergarten der Großeltern oder im Wald verbracht haben und heute einen sehr gesunden Umgang mit unserer Natur und unseren Nahrungsmitteln haben. Woran liegt das? Ich denke daran, dass sie mitmachen und erleben durften, dass Regenwürmer nicht ekelhaft sondern ungeheuer wichtig für unseren Boden sind und man sie immer wieder auf Erde setzen muss. Dass Insekten, Käfer, Spinnen einen Ort benötigen, um sich vor Wind und Wetter schützen zu können und sie deswegen ein Insektenhotel bauen. Dass aus winzig kleinen Kernen mal ein 2,5kg großer Kürbis werden kann. Meine Kinder können Dinge erschaffen und was man selbst erschafft, das ist sowieso von viel höherem Wert als Gekauftes. Auch wenn es nachwächst, so schätzt man die Arbeit und den Aufwand dahinter, man weiß, wie man 100 Tage lang neben dem zierlichen Kürbispflänzchen stand, bis der Butternut endlich erntereif war. Und im nächsten Jahr, wenn wir unseren Boden umgraben und anreichern müssen, dann wird auch der Komposthaufen, aus dem ein Jahr lang nur eklige Würmer herausgekrabbelt sind, plötzlich von unschätzbarem Wert sein. In einem Naturgarten erleben, entdecken und beobachten Kinder die Natur, wie Dinge aufhören und wieder beginnen, wie arbeiten, spielen und ruhen so nahe beieinander liegen. Darüber hinaus werden sie eines Tages einen anderen Bezug zu Nahrungsmitteln bekommen. In Plastik eingepackte Tomaten, wässrige Erdbeeren und Gurken, lascher Spinat – das alles schmeckt aus dem eigenen Garten anders, es ist günstiger und wertvoller.
„Spielen verboten“ verboten!
Die Bereiche des Gartens sind, wie bereist beschrieben, genau aufgeteilt und das akzeptiert Bubba Ray kompromisslos. Gleichzeitig sollte er aber auch einen Spielplatz im Garten bekommen. Das erste, was wir tatsächlich aufbauten, war der Sandkasten! Ich dachte, wenn der Sandkasten steht, also ein klassisches Spielplatz-Gerät sozusagen, dann würde ich „in Ruhe“ arbeiten und er spielen können. Tatsächlich aber spielt er mit nichts im Garten aktuell so wenig wie mit dem Sandkasten. Für ihn ist der Garten sein Spielplatz, die Arbeit die wir dort verrichten ist „Spielen“. Und das kann ich gut nachempfinden, denn auch für uns ist das Hobby, Spaß, Flucht aus dem Alltag und keine Pflicht. Wie muss sich das als Kind anfühlen, ohne Verpflichtung draußen sein, buddeln und sich dreckig machen zu dürfen, ja – sogar von den Eltern darum gebeten zu werden! Er ist hoch motiviert und fleißig und uns macht es einfach selig und glücklich, ihm dabei zu zu sehen, wie er seine kleine Schubkarre mit seinem Werkzeug und Gartengeräten belädt und uns hilft, wo er kann. Der Garten ist sein Spielplatz, alles dort, nicht nur der Sandkasten und die Matschküche. Natürlich haben wir diese beiden Dinge trotzdem errichtet, denn irgendwann möchte auch ich mal einfach in der Sonne sitzen und ein Buch lesen und dann sollen die Jungs allein in Ruhe spielen können. Doch aktuell interessiert ihn das herzlich wenig. Das säen, anpflanzen und pflegen ist das interessantere Spiel für ihn.
Langfristiges Gartenprojekt
Unser Garten lag nun fast 2 Jahre brach. Es ist ein langfristiges Projekt, für das ich schon einige Pläne habe, das wir aber gleichermaßen auf uns zukommen lassen wollen. In den nächsten Wochen werde ich viel darüber berichten und es auch als Kategorie mit auf den Blog nehmen. Es gibt für mich und meine „grüne Familie“ aktuell nichts schöneres, als die gemeinsame Arbeit im Garten, unter freiem Himmel, an der frischen Luft. Meine Erkenntnisse und Entdeckungen im bioveganen Anbau werde ich gern mit euch teilen – vielleicht habt ihr ja selbst einen Garten und baut ähnlich an? Oder habt noch ganz tolle Tipps für mich?
Auch die Projekte für meine Kinder stelle ich euch bald gern vor. Zum Beispiel den Bau unserer Matschküche, die Auswahl der Pflanzen sowie die Aufteilung im Garten. Weil ich aber noch eine Weile brauche, möchte ich euch diese Links mit an die Hand geben, bei denen ich mir auch einiges abgeguckt habe:
Wenn ihr euch in die Thematik des bioveganen Gärtnerns einlesen wollt, dann lege ich euch diese Links ans Herz:
Vegan sein – Biovegan gärtnern
„Peaceful Gardening“ – Reisbluete-veganblog
Und die allerbesten Links zum Neustart, also zur Basis für den Kleingarten habe ich hier gefunden:
Aber Achtung: die letzten beiden Links sind nicht für Biovegan-Gärtner! Tipps zum Dünger etc.. müsst ihr da also überlesen.
Ich wünsche euch viel Spaß beim Stöbern! Solltet ihr Fragen, Ideen oder sogar Tipps für mich haben: immer her damit, ich freue mich 🙂
Bitte guckt auch bei Tafjora – einmal Frankreich und zurück und bei der tollen Wheelymum vorbei, der Artikel ist auf beiden Blogs verlinkt. Tanja von Tafjora sammelt nämlich diesen Monat Texte zum Thema „Nachhaltigkeit in der Familie“ und die Wheelymum hat völlig Recht, wenn sie behauptet: #spielplatzistüberall
18 Antworten
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Pingback | Wheelymum
Hallo du Liebe,
also ich wäre dann bereit dich einmal besuchen zu kommen.
Es sieht einfach toll aus udn du hast so recht mit jedem Wort das du schreibst. Macht weiter so und halte uns bitte über die Ergebnisse auf dem Laufenden. Lg Ju
Du bist hier jederzeit herzlich willkommen! Es ist auch alles barrierefrei <3 Also wirklich ernsthaft, solltest du jemals in der Ecke sein, komm bitte vorbei 🙂 Aber Achtung, im Moment kriegt noch jeder Besuch einen Spaten oder so in die Hand gedrückt. Es ist einfach so viel Arbeit...
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Ich wünsche euch viel Freude mit eurem Garten und bin auf die Berichte gespannt.
Wir haben den Kindern früh den Unterschied zwischen Blumen und Kräutern erklärt. Kräuter darf man essen, Blumen nicht (wir haben das als einfache und griffige Formel gebraucht). Das hat gut geklappt. Und es war uns wichtig, weil wir nicht nur essbare Pflanzen im Garten haben.
Hi Uta,
das ist für den Anfang eine sehr gute Idee. Ich habe nämlich sehr viel Rhododendron im Garten und den dürfen sie ja keinesfalls in den Mund bekommen… Danke für den Tipp! Ich glaub so fangen wir auch an!
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Hallo Kathrin!
Dank des Blogs Tafjora bin ich auf deinen gestoßen. Es gefällt mir hier sehr gut bei dir/euch und ich freue mich, wenn ich die kommenden Tage Zeit finde und noch viele weitere Beiträge lesen kann! Wir haben auch eine sehr bedürfnisorientierte Beziehung zu unserem Tiger und wir werkeln heuer auch das erste Jahr in unserem Schrebergarten – daher freue ich mich auf interessante Einblicke in euren Garten-Kinder-Alltag.
Liebe Grüße,
Ricarda
tigersabenteuer.wordpress.com
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