„Ich arbeite gezielt daran, meine Bedürfnisse zu beachten“ – Kathrin bei #HochsensibleMütter

Meine Namensvettern Kathrin ist 34 Jahre alt, hat zwei Kinder, geboren im Juni 2013 und im Januar 2016, und: sie ist hochsensibel. Das ist keine Überraschung, wenn ihr hier geklickt habt, denn es handelt sich natürlich um ein neues Interview der #HochsensibleMütter Reihe. Weiterhin geht es in diesem ersten Teil um das Gefühl der Hochsensibilität: wie nehmen wir sie wahr, wie fühlt sie sich an, wann spüren wir sie und haben wir sie geerbt und / oder vererbt? Diesen Fragen stellt sich heute Kathrin, die äußere Reize bewusst wahrnimmt und meidet, sich selbst beschützt und versucht, nicht über ihre eigenen Grenzen zu gehen. Welche das sind und wie sie das tut, das erzählt sie uns.

 

Vorhang auf für Kathrin bei #HochsensibleMütter


Du bist hochsensibel. Seit wann weißt du davon? Hast du einen Test gemacht und wenn ja welchen? Und woran bemerkst du deine eigene Hochsensibilität am Deutlichsten?

 

Eine Freundin erzählte mir irgendwann davon, dass sie vermutete, ihre Tochter sei hochsensibel. Ich hörte diesen Begriff da zum ersten Mal und konnte nichts damit anfangen. Sensibel, ja das bin ich auch. Ich fragte meine Freundin ein bisschen aus und machte schließlich einen Test auf zartbesaitet.de. Eher aus Interesse. Das Ergebnis war ziemlich deutlich. Ziemlich hochsensibel. Ich weiß nicht, wie ernst ich dieses Ergebnis nehme. Plötzlich etwas einen Namen geben, dass schon immer Ich war?

Ich war schon immer extrem empfindsam für die Stimmung anderer. Beeinflussbar durch die Stimmung anderer. Habe mich in der Schule immer sehr mit den Mitschülern geschämt, die bei irgendwas erwischt wurden. Als wäre ich es selbst gewesen.

Musik und Literatur berühren mich so tief, dass es mir fast körperliche Schmerzen verursacht.

Und Lärm. Das sind die Situationen, in denen ich am liebsten wegliefe. Beispielsweise bei Veranstaltungen im Kindergarten. Tausend schreiende Kinder, dabei versuchen, das eigene im Auge zu be- und einigermaßen vom ausrasten abzuhalten.

Bei Gesprächsrunden klinke ich mich irgendwann aus, weil ich mich auf viele Leute nicht gleichzeitig konzentrieren kann. Davon bekomme ich Kopfschmerzen und empfinde es als enorm anstrengend.

 

Hochsensible Mütter schwanken, so Brigitte Schorr, eine Expertin auf dem Gebiet, besonders häufig zwischen Langeweile allein mit dem Kind und Überforderung im Alltag, ständig gepaart mit schlechtem Gewissen. Kannst du das bestätigen?

 

Ja! Ja zur Langeweile, zur Überforderung und zum schlechten Gewissen!

 

Als Mutter ist man irgendwie ja auch fremdbestimmt durch das eigene Kind. Empfindest du das auch und wenn ja, an welchem Beispiel besonders? Und wie gehst du damit um?

 

Mit einem Baby ist man wirklich fremdbestimmt. Ich empfinde es manchmal als einen Kokon, den ich liebe und manchmal als Zwangsjacke, die mir die Luft abschnürt. Mit der Großen ist es nicht mehr so extrem, da kann ich mich abgrenzen, wenn es mir zuviel wird. Die Kleine lässt sich nur von mir ins Bett bringen und höchstens vom Papa mal eine Stunde betreuen. Ich war von ihr noch nie länger als zwei Stunden getrennt. Wir Eltern können uns schlecht abwechseln, ich bin froh, dass die Große so ein Papakind ist. Trotzdem vermisse ich es sehr, mit ihr einmal Zeit alleine zu verbringen. Und das schlechte Gewissen wächst.

Inzwischen ist die Kleine ein Jahr und ich wage mich schrittweise von ihr weg und schaffe es auch einmal abends für eine Stunde zum Italiener gegenüber. Ich nehme es so an – oder hin, wenn es mich nervt – wie es ist, versuche es so gut es geht zu genießen und mir bewusst zu machen, dass diese intensive Zeit schneller wieder vorbei ist, als ich es mir vorstellen kann.

Aber ab und zu fluche ich auch heftig und unschön.

 

Ist deine eigene Mutter oder dein Vater hochsensibel? Erkennst du sie in dir wieder? Was schätzt du an deinem hochsensiblen Elternteil? Und was gar nicht?

 

Ich bin mir nicht sicher.

 

Ist dein Kind hochsensibel? Prallt ihr oft aneinander?

 

Nein.

 

Hast du ein normal-sensibles Kind? Und wenn du sowohl als auch hast: welche Unterschiede zwischen den Kindern und zwischen dir und deinem normal sensiblem Kind machen sich besonders oft bemerkbar?

 

Ich habe mich nicht damit beschäftigt, ob die Große hochsensibel sein könnte, oder nicht. Sie ist für ihr Alter unheimlich aufmerksam. Bekommt jedes Wort mit und fragt bei Unklarheiten nach. Dazu bin ich immer wieder erstaunt und teilweise schockiert, wie empathisch sie ist. Nach außen ist sie manchmal wild und selbstbewusst, innerlich ist sie das liebste und feinfühligste Mädchen, das ich je kennengelernt habe.

Ähnlich zu mir reagiert sie auf laute Geräusche. Von der Kirmes wollte sie so schnell wie möglich wieder weg. Diese Kakophonie ist aber auch wirklich nicht auszuhalten. Natürlich hab ich es ihr in diesem Fall nicht in den Mund gelegt! Ich weiß ja inzwischen, was mich erwartet, wenn ich auf eine Kirmes gehe.

 

Welches Kind empfindest du als pflegeleichter?

 

Das kann ich nicht sagen. Die eine ist ja noch ein Baby. Ein forderndes Baby. Und ich kann mich nicht mehr erinnern, ob die Große auch so viel gefordert hat. Sie war auf jeden Fall nicht so laut wie die Kleine! Manchmal wickel ich sie tatsächlich mit Watte in den Ohren, so ein lautes Organ hat sie. Aber auch bei der Großen gab es Schwierigkeiten. Ich denke, so ist das eben mit Babys. Es wird leichter, je älter sie werden.

 

Stressabbau und Selbstregulationsmechanismen: würdest du sagen, du lebst gut mit deiner Hochsensibilität? Welchen Strategien hast du, um dich selbst zu beruhigen und deinen inneren Stress abzubauen?

 

Ist es mir zu laut, muss ich raus aus der Situation und Reize reduzieren. Spazierengehen hilft mir immer! Oder fernsehen. Da kann ich den Kopf abschalten und merke gar nicht, wie die Zeit vergeht. Oder laute Musik. Die hilft aber eher bei negativen Gefühlen, als bei Stress durch chaotische Situationen.

 

Welchen Rat würdest du anderen hochsensiblen Müttern geben? Und wenn du Literatur zu dem Thema gelesen hast, möchtest du etwas empfehlen?

 

Jeder muss glaube ich selber seine Mechanismen finden, mit anstrengenden oder überfordernden Situationen fertig zu werden. Ich habe ganz gute Strategien und weiß, was mir wann hilft und was mich überfordert. Um eine Feier im Kindergarten herum nehme ich mir in der gleichen Woche bewusst wenig vor.

 

Ein Ausblick in deine Zukunft: Welche Eigenschaft darf wachsen, was willst du so bewahren wie es ist und woran möchtest du gezielt arbeiten?

 

Ich arbeite gezielt daran, meine Bedürfnisse nach denen der Kinder zu beachten und nicht erst die aller anderen. Viel zu oft versuche ich es allen recht zu machen und vergesse mich selbst dabei. Wobei ich meinen Mann einschließe, wenn ich von mir spreche. Er achtet meist mehr auf mich als ich selbst.

Bewahren möchte ich auf jeden Fall die Gabe, mich tief in andere einfühlen zu können. Und mich immer wieder Menschen zu öffnen, die es eben in diesem Moment verdienen.

 


Alle anderen Interviews der Reihe findet ihr hier.

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