Richtig pikieren und vereinzeln

Manchmal will ich ja alles hinschmeißen. Die schlaflosen Nächte, die frechen* Kinder, den Haushalt und alles andere auch. Dann würde ich aus dem Haus gehen und einfach immer geradeaus laufen, bis ich irgendwo auf einem Feld oder in einem Wald ein Plätzchen finde, an dem ich eine Holzhütte bauen und kleine mini-Pflänzchen anbauen kann. Und dann würd ich auch nichts anderes mehr machen. Einfach nur noch mehrere Stunden am Tag meine Hände in Erde vergraben und dann neben den keimenden Samenkörnern sitzen und nichts tun. Nichts. Absolut gar nichts.

Außer Pikieren, nach geraumer Zeit, das würd ich schon noch. Denn um eine ertragreiche Ernte in meiner Abgeschiedenheit zu haben, in der ich mich als nicht-Reh-schießender, veganer Neandertaler ja selbst versorgen müsste, gehört das Pikieren und Vereinzeln dazu. Das sind übrigens zwei verschiedene, wahnsinnig aufwändige und dreckmachende Dinge. Warum der Selbstversorger aber in meinen Augen in den meisten Fällen nicht drumrum kommt und wie es in meiner Praxis am Besten funktioniert hat, hab ich heute mal wieder aufgeschrieben.

Pikieren und Vereinzeln

Kann losgehen: Aussaaterde, eigene Töpfchen, Schäufelchen und Pikierstab. Letzterer hier einfach: Stock.

 

Pikieren

Pikieren beschreibt das Umpflanzen oder Umsetzen von Sämlingen, also den kleinen ersten Mini-Pflänzchen, die entstehen, nachdem ihr ein Samenkorn in korrekter Tiefe und unter optimalen Bedingungen im Haus vorgezogen habt. Zum Beispiel.

Wenn ihr, wie ich es in meinem Artikel über die Anzucht im Haus beschrieb, die Samenkörner in einem großen Kasten oder Korb nebeneinander gebuddelt habt, dann sieht das nach einiger Zeit nämlich so aus:

Pikieren und Vereinzeln

Links: nix. Rechts: Winz-Brokkoli und Winz-Kohlrabi. Bereit, pikiert zu werden!

 

Die Pflanzen wachsen nicht akkurat dort aus der Erde, wo ihr die Samenkörner ganz sicher (!) eingepflanzt habt. Durch das Gießen zum Beispiel verrutscht so ein Körnchen auch einfach mal an eine andere Stelle. Und manchmal machen die eben auch einfach, was sie wollen. Babys, halt….

So durcheinander kann aber nunmal nicht sicher gestellt werden, dass sich die Wurzeln der einzelnen kleinen Pflanzen nicht gegenseitig in die Quere kommen, den Platz wegnehmen, das Wachstum letztlich behindern. Und da wir für den Selbstversorger-Garten natürlich möglichst jedes gepflanzte Körnchen eines Tages als reife Frucht ernten wollen, empfiehlt es sich, im zweiblättrigen Zustand (siehe Bild), umzusetzen – also, zu pikieren.

Das Pikieren selbst ist einfach, sollte aber mit größter Vorsicht und Behutsamkeit durchgeführt werden. Die jungen Wurzeln sind dünn und faserig und wahnsinnig empfindlich. Mit dem Pikierstab lockert ihr die Erde um das Pflänzchen herum auf (mit der spitzen Seite) und hebt es dann (mit der flachen Seite) sehr sehr vorsichtig aus der Erde. Achtet darauf, weit oben anzufassen, also dort, wo es grün ist und nicht weit unten, an den Wurzeln. Es empfiehlt sich, es nicht von zu viel Erde zu befreien, am Punkt der Ausgrabung. Meiner Erfahrung nach werden die Wurzeln so schon noch um einiges mehr geschützt.

 

 

Pikieren und Vereinzeln

Aus der Erde gewühlt

 

Die selbst gemischte Aussaaterde (siehe Artikel über die Anzucht) schaufelt ihr reichlich in die einzelnen Töpfchen und fummelt – wiederum mit der spitzen Seite des Stabes – eine kleine Mulde in die Erde. Ungefähr wie bei einem Rührkuchen. Vorsichtig und wirklich ganz ohne Druck könnt ihr nun auch versuchen, die Erde um die Wurzeln herum etwas zu lockern und abzustreifen. Je mehr Fläche die Wurzeln haben, sich in die neue Erde zu drücken und dort Fuß zu fassen – im wahrsten Sinne des Wortes – umso kräftiger können sie natürlich werden.

 

Perfekte Jungpflanze - Pikieren und Vereinzeln

Perfekt.

Die zarten und – ich betone es noch einmal – wirklich empfindlichen Wurzeln der Pflänzchen legt ihr nun in die Mulde und schiebt mit der flachen Seite des Pikierstabes die Erde von den Rändern erstmal locker darauf. Wenn die Wurzeln mit einer guten Schicht Erde bedeckt sind, drückt ihr diese von oben an – die Erde, nicht die Wurzeln! Schön fest drücken, damit die Wurzeln sich möglichst dicht an die Erde anschließen können und dazwischen wenig Luft ist. Nun dürft ihr mit wenig Wasser vorsichtig gießen. Ich empfehle die tollen Badespielzeug-Becher eurer Kinder, die unten nur ein oder zwei klitzekleine Löcher haben. Die sind perfekt.

 

Pikieren und Vereinzeln

Fertig pikiert: jetzt bildet die Pflanze Wurzeln aus, wird kräftig und groß.

 

Vereinzeln

Vereinzeln ist – und das musste ich auch erst mal lernen – wieder etwas ganz anderes. Zumindest, wer es fachlich ganz korrekt benennen will. Pikiert werden, wie oben beschrieben, Pflänzchen aus einer gemeinsamen, großen Pflanzschale in einzelne, eigene Töpfchen. Vereinzelt werden Pflänzchen, die auf einer Multitopfplatte angepflanzt wurden, also: ein Samen pro Fach.

 

Pikieren und Vereinzeln

Multitopfplatte mit Affiliate-Link zu Amazon

 

Bildet sich hier ein Schössling aus und ist dieser dann zweiblättrig, dann wird vereinzelt – also von der Multitopfplatte in einzelne Töpfchen umgesetzt. Wieso es dafür nun zwangsläufig ein weiteres Wort brauchte, und das obwohl das Vorgehen nahezu identisch ist, weiß ich allerdings auch nach eingehender Recherche nicht.

 

Pikieren und Vereinzeln

Fertig. Wunderschön. Und bald auch lecker 😉

 

Nach dem Pikieren brauchen die Pflanzen unterschiedlich lang Zeit und natürlich weiterhin gute Bedingungen und optimale Pflege. Sie bilden Wurzelwerk aus, die Blätter vermehren sich und insgesamt wird die Pflanze stark und gedeiht, sodass sie auch den natürlich nicht immer konstant optimalen Bedingungen draußen im Beet standhalten kann. Denn dort ist natürlich ihre nächste Station, sobald der Frühling endlich dauerhaft eingezogen und das Beet für den Anbau vorbereitet ist.

Also: fleißig Pikieren, sich um die Babys kümmern, sie nach Herzenslust verwöhnen, damit sie resiliente Kleinkinder werden, die man auch mal auf die Gesellschaft (im Beet) loslassen kann 😉

Quasi.

Wer schon die Anzucht in Haus und das zeitaufwändige Pikieren / Vereinzeln hinter sich hat und schon so langsam im Garten bzw. auf seinem Feld oder Beet mit der Arbeit beginnt, der kann hier weiter lesen:

Das Beet umgraben – eine Anleitung in 5 Schritten

Die 12 kinderfreundlichsten Arbeiten im bioveganen Garten

 

 

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