Heute habe ich die Wheelymum zu Gast. Sie ist Anfang 30 und hat einen kleinen, 3-jährigen Sohn. Und: sowohl ihr Sohn als auch sie selbst sind hochsensibel. Genau wie alle anderen hochsensiblen Familien stoßen sie damit an ihre Grenzen. Doch heute, in diesem schönen Interview, signalisiert sie vor allem eins: Annahme, Entspannung und ein tiefes Vertrauen in sich selbst, ihren Sohn und die Zeichen, die sie gelernt hat zu lesen.
Vorhang auf für die wundervolle Wheelymum bei #HochsensibleMütter
Du bist hochsensibel. Seit wann weißt du davon? Hast du einen Test gemacht und wenn ja welchen? Und woran bemerkst du deine eigene Hochsensibilität am Deutlichsten?
Ja, ich bin hochsensibel. Seit wann ich das weiß? Das ist eine gute Frage. Ich denke einen genauen Zeitpunkt gab es nicht. Vielmehr waren es viele kleine Anzeichen und Eigenarten. Diese hatte ich bereits, ganz typisch, als Kind.
Zu viele Menschen an einem Ort, das überforderte mich. Gerüche und Einzelheiten aus Gesprächen brannten sich in mein Gedächtnis. Bestimmt Materialien möchte ich nicht auf der Haut spüren. Es waren unter anderem Kleinigkeiten, die mich zum Weinen brachten. Oft war mir einfach alles zu viel und ich konnte nie richtig abschalten. Dafür war ich gerne mit mir alleine. Das störte mich gar nicht.
Ich habe mit der Zeit gelernt, mich so anzunehmen wie ich bin. Meine eigenen Grenzen zu wahren und diese zu schützen. Danach wurde vieles einfacher. Auch mein Sohn ist hochsensibel. Bei ihm warf der Kinderarzt die Begrifflichkeit in den Raum. Danach begann ich ich etwas in die Materie einzulesen und war überrascht, wie viele Übereinstimmungen es zwischen den Beispielen und meinem Sohn, aber eben auch mir selbst gab.
Darauf hin habe ich den Test auf der Internetseite www.zartbesaitet.de gemacht. Eher aus Interesse und nicht um das Verhalten zu werten. Überbegriffe um bestimmte Verhaltensweisen einzuordnen? Eigentlich mag ich das gar nicht. Und dennoch tue ich es hier. Gerade jetzt.
Ich finde jeder Mensch darf zudem so sein, wie er ist. Gleichzeitig hat es mir geholfen, mich weniger rechtfertigen oder zu viel zu überlegen. Ich weiß, ich bin damit nicht alleine.
Hochsensible Mütter schwanken, so Brigitte Schorr, eine Expertin auf dem Gebiet, besonders häufig zwischen Langeweile allein mit dem Kind und Überforderung im Alltag, ständig gepaart mit schlechtem Gewissen. Kannst du das bestätigen?
Ja, ich kann das, leider, durchaus bestätigen. Bei mir kommt dazu noch die Abgrenzung zu den Dingen dazu, die ich auf Grund des Rollstuhl nicht machen kann. Aber es vermischt sich manchmal einfach alles und ich habe immer wieder das Gefühl und das Bedürfnis, noch mehr auf einen Sohn einzugehen und ihn zu begleiten. Ganz unabhängig davon, denke ich aber auch das es vielen Eltern so geht.
Als Mutter ist man irgendwie ja auch fremdbestimmt durch das eigene Kind. Empfindest du das auch und wenn ja, an welchem Beispiel besonders? Und wie gehst du damit um?
Klar, auch das gehört, denke ich, zu einer normalen Elternschaft dazu. Als Junior ein Baby war, hatte ich teilweise das Gefühl, ich existiere selbst fast nicht mehr. Er musste sehr viel weinen, schreien…. Einschlafen war der Horror und dauerte stundenlang. Für einen Kurzschlaf von ca. 20 – 30 Min. Und dies auch nur mit ständigem Körperkontakt.
Es zehrte einfach an meinen Kräften und an den Kräften meines Mannes. Trotz Abwechseln und Freiräume schaffen, waren immer die Gefühle da – dein Körper braucht eine Pause, ich kann nicht mehr und gleichzeitig die Bedürfnisse des Kindes. Selbstredend ist die Babyzeit eine ganz besondere und die kleinen Menschen geben hier den Rhythmus vor. Das ist völlig normal (hoffentlich) und soll auch so sein. Aber auch im Kleinkindalter nahm diese Fremdbestimmung nicht ab, sie veränderte sich nur. Schlafen war weiterhin problematisch und zu viele Eindrücke überreizen Junior. Ich hatte das Gefühl die Reizfilterung setzte bei ihm einfach nicht ein. Es wurde nicht einfacher. Es wurde nur anders.
Es geht einfach immer wieder darum, unsere eigenen Wege zu finden. Mit offenen Augen und Ohren durch die Welt gehen und dabei die Bedürfnisse von uns allen im Blick zu behalten. Das ist wahrlich nicht immer einfach. Was mir unheimlich hilft, ist, dass ich keine Erwartungshaltung mehr habe. So wie es kommt, so kommt es. Ich kann es nicht ändern. Wenig Termine und immer viele Zeitpuffer helfen den Tag zu entspannen. Damit bin auch ich entspannter.
Ist deine eigene Mutter oder dein Vater hochsensibel? Erkennst du sie in dir wieder? Was schätzt du an deinem hochsensiblen Elternteil? Und was gar nicht?
Nein. Weder von ihrem Verhalten her, noch nach Testergebnissen.
Ist dein Kind hochsensibel? Prallt ihr oft aneinander?
Ohne Junior hätte mein Anderssein heute vielleicht noch gar keinen Begriff. Ob das schlimm wäre? Nein, das glaube ich nicht. Aber durch ihn, unsere Schilderungen und einen sehr aufmerksamen Kinderarzt kamen wir auf das Thema Hochsensibilität. Wie oben schon erwähnt kam die Begrifflichkeit vom Kinderarzt. Damit öffneten sich weitere Türen, denn ich hatte ein Thema in welches ich mich einarbeiten konnte und immer mehr verstand. Natürlich reiben wir uns oft aneinander. Aber gleichzeitig habe ich so viel Verständnis für ihn, denn in so vielen Situationen erkenne ich mich als Kind wieder. Ich kann mir gut vorstellen, was er gerade denkt, spürt, oder fühlt. Das war vor allem in der Zeit sehr hilfreich, als er sich selbst sprachlich noch nicht ausdrücken konnte.
Und der große Knall? Den gibt es, wenn ich nicht aufmerksam genug bin und die Bedürfnisse von ihm oder mir aus den Augen verloren habe. Mittlerweile können wir das meistens gut gemeinsam händeln. Dadurch wurde vieles entspannter.
Empfindest du dein Kind als anstrengend oder ergänzt ihr euch?
Klar empfinde ich mein Kind manchmal als anstrengend. Er ist ein Kind und ich bin seine Mama. Da gehört das wohl einfach so dazu. Seine Hochsensibilität dagegen sehe ich eher als Gabe. Mit seiner Empathie kann er so vieles aufnehmen und auch umsetzen, das beeindruckt mich immer wieder. Anstrengend war es am Anfang, ja. Seit wir wissen, wo die Grenzen liegen, welche Situationen belasten und was einfach zu viel ist, wurde die Anstrengung wesentlich geringer. Natürlich gibt es auch immer wieder Verhaltensweisen die ich als sehr anstrengend empfinde. Ich wiederhole mich, aber auch hier denke ich, es geht allen Eltern und Kindern so. Die Hochsensibilität spielt in viele Bereiche mit hinein, ist aber nicht allgegenwärtig. Mit viel Geduld und den richtigen Fragen, kann man manchmal dahinter kommen, wieso sich Junior gerade so verhält. Dann ist ein Verständnis da und man kann gemeinsam weiter schauen. Manchmal klappt das. Manchmal nicht. That´s life.
Stressabbau und Selbstregulationsmechanismen: würdest du sagen, du lebst gut mit deiner Hochsensibilität? Welchen Strategien hast du, um dich selbst zu beruhigen und deinen inneren Stress abzubauen?
Bevor ich Mama wurde, kannte ich mich ziemlich gut und konnte so auch auf meine Bedürfnisse achten. Action und Ruhephasen wechselten sich ab und es war gut. Mittlerweile ist das natürlich nicht mehr so einfach. Früher malte ich sehr gerne, machte Autogenes Training und Yoga. Nun sind hier auch einige Punkte weggefallen. Vom freien Malen, wechselte ich zu Mandalas – das brachte mir zwar Entspannung, weil der Kopf sich nach und nach verabschiedete, aber es fehlte einfach Zeit.
Ich bin sehr froh, dass ich bestimmte Kommunikationstechniken erlernt habe. Diese helfen mir, Gefühle wahrzunehmen aber nicht alle auf mich zu projizieren. Gleichzeitig unterstützen sie dabei, das das Gesagte beim Sprecher bleibt und ich mich nicht angegriffen fühle. Zur Entspannung und zum Stressabbau nutze ich heute Musik. Mal laut mal leise, mal rockig, mal meditativ…. Auch Enstpannungtechniken wie Progressive Muskelentspannung oder eine Traumreise helfen mir manchmal. Und schreiben. Schreiben ist mein großes Ventil. Hier kann ich einfach alles herauslassen.
Welchen Rat würdest du anderen hochsensiblen Müttern geben? Und wenn du Literatur zu dem Thema gelesen hast, möchtest du etwas empfehlen?
Ich möchte niemandem etwas raten. Vielmehr möchte ich Zuspruch geben, sich selbst zu vertrauen. Wenn eine Empfindung als unangenehm wahrgenommen wird, dann ist das so. Ganz gleich ob andere etwas anders sagen oder so noch so klein ist. Wenn die Reize zu viel sind, dann ist das so. Diese Grenze dürfen wir (Mamas) ziehen.
Ich habe einige Bücher zu diesem Thema gelesen, aktuell liegen noch 3 weitere auf meinem Bücherstapel. Wenn ich davon das „Beste“ empfehlen sollte, dann wäre es für mich, das Buch „Hochsensible Mütter“.
Ein Ausblick in deine Zukunft: Welche Eigenschaft darf wachsen, was willst du so bewahren wie es ist und woran möchtest du gezielt arbeiten?
Aktuell komme ich ganz gut klar und möchte nichts verändern. Das hat gar nicht unbedingt etwas mit Stillstand zu tun, vielmehr mit Zufriedenheit. Und den Moment der Zufriedenheit auszukosten, das ist etwas, was ich lernen musste. Nicht gleich weiterdenken, wie wäre es noch besser. Der Punkt kommt von selbst, an dem ich denke: „Oh,… jetzt wäre Zeit für eine Veränderung“ Oder „So kann das nicht weitergehen, ich muss etwas ändern“ aktuell ist es aber nicht so weit und das genieße ich gerade sehr.
Eine Antwort
[…] war zu Gast bei der wundervollen Kathrin und habe über meine Hochsensibilität […]