Rezension
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Heimat. Ein großes Wort. Als ich den Titel des Buches „Das Kind in dir muss Heimat finden“ von Stefanie Stahl* las, fiel mir als erstes ein Text von Henryk M. Broder, den wir mal in der Schule besprachen, von 1999 ein:
„Die Aufforderung, sich zu der „eigentlichen Heimat“ zu bekennen, hat etwas Bedrohliches an sich, sie klingt wie die Order, beim Zoll den richtigen Ausgang zu nehmen und alle mitgeführten Waren ordnungsgemäß zu deklarieren. Wann immer ich nach meiner Heimat gefragt wurde, kam ich mir vor wie ein Reisender, der Konterbande in seinem Gepäck schmuggelt. Nicht jeder hat es so einfach wie Freddy Quinn: „Wo ich die Liebste fand, da liegt mein Heimatland …““
Ich stellte es mir schwierig vor, eine Heimat für mein inneres Kind zu finden – bzw. Dieses innere Kind überhaupt erstmal zu finden. Intuitiv fühlte es sich bedrohlich an, ich fühlte mich Henryk M. Broders Worten wieder sehr nah. Und doch machte ich mich auf die Reise. Zum Glück, wie ich heute weiß.
Was genau sollte das bedeuten und was war zu erwarten? Ich ging völlig vorbehaltlos an dieses Buch heran und entdeckte nicht weniger als die Antworten auf eine ganze Litanei an Fragen, von denen ich vorher nicht wusste, dass ich sie hatte.
*Das Kind in dir muss Heimat finden: Der Schlüssel zur Lösung (fast) aller Probleme – von Stefanie Stahl
Taschenbuch: 288 Seiten, Verlag: Kailash (16. November 2015)
Sprache: Deutsch, ISBN-10: 3424631078
Das Schattenkind
Manchmal schreie ich meine Kinder an. Manchmal werfe ich Dinge durch die Gegend, aus purer Wut und mit der festen Absicht, sie zu zerstören. Und manchmal erziehe ich meine Kinder, sage Dinge die ich nicht sagen will, drohe, manipuliere oder befehle und finde das alles wirklich ziemlich blöd. Und trotzdem wusste ich nie so recht, warum ich das tue und vor allem, was ich tun könnte, um es wieder zu lassen.
Stefanie Stahl geht in ihrem Buch davon aus, dass jeder von uns zwei Seiten hat. Wie eine Medaille etwa oder eben: wie Sonne und Schatten. Das Schattenkind in uns stellt sozusagen negative Seiten und Glaubenssätze dar. Es übermannt uns vor allem in Situationen, die gewisse Gefühle triggern oder uns vor ungeahnte Überfordung stellen. Wir befinden uns oft in unserem Schattenkind, ohne überhaupt das Bewusstsein dafür zu haben.
So auch ich. Erst durch die Lektüre näherte ich mich diesem Schatten an. Ich nahm bewusst wahr, wer ich war und welche Glaubenssätze dahinter steckten. Mir persönlich machten drei negative Glaubenssätze zu schaffen und zwar, so sollte ich bald feststellen, nicht nur in Bezug auf meine Kinder. Nein, nahezu alle meine Beziehungen, ganz gleich ob zu meinem Mann, zu Freunden oder zu meiner Familie, waren mehr oder minder davon betroffen.
Das Sonnenkind
Stefanie Stahl führt durch eine ganz bestimmte Technik an das innere Schattenkind heran und hilft, es anzunehmen. Das ist, was mich langfristig an diesem Buch so geprägt hat: es geht nicht darum, diese Eigenschaften auszulöschen oder gar zu verändern. Nein, du lernst, dieses Schattenkind anzunehmen. Aber vor allem lernst du dein Sonnenkind kennen und somit deine Eigenschaften und Glaubenssätze, die dich positiv stimmen, aus denen du Kraft ziehst und die letztendlich schaffen, deinen Fokus vom Schatten auf die Sonne zu lenken. Mit anderen Worten: sowohl das Schattenkind als auch das Sonnenkind haben ihre Berechtigung, sind Teil deiner Selbst und nicht einfach auszutauschen. Sie sind da und das dürfen sie auch sein. Mit einer bestimmten Technik lernst du mit diesem Buch, dich häufiger im Sonnenkind zu befinden und dich nicht mehr den negativen Glaubenssätzen deines Schattenkindes zu ergeben.
Das Arbeitsbuch
*Broschiert: 128 Seiten, Verlag: Kailash (20. März 2017)
Sprache: Deutsch, ISBN-10: 3424631434
Damit das Entwickeln eines Bewusstseins für dein inneres Kind Hand und Fuß hat, gibt es begleitend zum Buch ein Arbeitsbuch*, in dem die im Buch beschriebenen Übungen durchgeführt werden können. So bekommt das innere Kind eine Gestalt – sowohl das Schatten- als auch das Sonnenkind. Ziel dieser Arbeit ist ganz klar, dass Letzteres weiter in deinen Fokus rückt und du fortan von der positiven Kraft deines Sonnenkindes profitieren kannst – auch in Stressmomenten.
Beim Abtippen meiner Erkenntnisse klingt das Ganze esoterischer, als es ist und ich hoffe, ich verbaue damit niemandem den Zugang zu diesem großartigen Buch. Denn tatsächlich ist die Autorin an keiner Stelle verträumt, naiv oder wirkt spirituell – im Gegenteil. Viel eher wirken alle ihre Übungen und Sätze wie jahrzehntelange Beobachtungen und praktische Arbeiten mit Menschen, die ihre Therapie in Anspruch nahmen. Hinter ihrem Werk steht ein großer Aufwand an wissenschaftlicher Arbeit und ich möchte das an dieser Stelle genau so würdigen. Um das innere Kind zu finden und es in die Heimat zu bringen, benötigt es keiner Zauberei – sondern lediglich der Konfrontation mit sich selbst. Ohne Klangschalen und Räucherstäbchen, übrigens.
Erst weinte ich viel. Nun lächle ich viel.
Dieses Buch zu lesen hat mich einige Wochen gekostet. Obwohl ich jeden Tag mehrere Stunden damit aufbrachte. In manchen Kapiteln musste ich abbrechen, mich ausweinen und Tage später von vorn beginnen. Das Arbeitsbuch erhielt ich erst später und wiederholte dann die ersten Kapitel mithilfe dessen noch einmal. Ich habe gelernt, dass mich drei negative Glaubenssätze oft zurückhalten oder blockieren. Ich habe erfahren, welche es sind und wieso sie so mächtig waren. Und ich habe gelernt, durch viel Ruhe, Kraft und Erlauben, ihnen nur genau so viel Platz einzuräumen, wie sie einräumen dürfen, ohne mich klein zu machen, zu schwächen oder mir das Leben unnötig schwer zu machen. Viel wichtiger ist aber, dass ich ihnen positive Glaubenssätze gelernt habe entgegen zu setzen, die mir helfen, mir Schwäche zu erlauben und meine Bedürfnisse zu formulieren.
Während der Lektüre des Buches habe ich oft geschluckt und bisweilen auch geweint. Aber heute, wiederum einige Monate nachdem ich das Buch bereits in mein Regal sortiert habe, lächle ich häufiger – vor allem in Situationen, in denen ich noch vor wenigen Monaten komplett eskaliert wäre.
Kann das Buch Wunder vollbringen?
Ich glaube nicht. Ich denke, wer wirklich schwere innere Dämonen hat, der benötigt professionelle Hilfe und die kann das Buch nicht ersetzen. Aber was das Buch kann, ist, dich an einen Ort deiner mentalen Stärke zu bringen, den du allein und im alltäglichen Strudel aus Überforderung und Anstrengung selbst nicht finden kannst. Und das allein sollte es wert sein.
Ich habe durch dieses wundervolle Buch vor allem meine Schwächen kennen gelernt. Mein Schattenkind. Die kleine 2-jährige Kathrin, die stinkwütend wird, wenn sie sich nicht gesehen fühlt oder überfordert ist. Und noch so einiges anderes. Tja, ich denke diese kleine Kathrin hat jetzt tatsächlich sowas wie Heimat gefunden. Irgendwie. Nicht so wie Freddy Quinn und vielleicht auch nicht so wie Henry M. Bruder. Aber ich habe jetzt keine Angst mehr – weder vor dem inneren Kind, noch vor dem prüfenden Zoll, der mich – immer wenn ich es am wenigsten gebrauchen konnte – mit meinen negativen Glaubenssätzen konfrontierte.
So anstrengend es auch war, aber diese kleine Kathrin kennt einen guten Weg. Und dafür bin ich Stefanie Stahl vermutlich noch lange dankbar.
Mehr zu Stefanie Stahl findet ihr auf ihrer Website und bei UNS auf der FEBuB in Bochum am 18.11.2017!
*Das Kind in dir muss Heimat finden: Der Schlüssel zur Lösung (fast) aller Probleme
*Das Kind in dir muss Heimat finden: In drei Schritten zum starken Ich – das Arbeitsbuch
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2 Antworten
Es ist schon eine Weiler her, dass meine Mutter mir von diesem Buch erzählt hat und wie hilfreich sie es fand.
Mein Gedanke war „Inneres Kind? Heimat? Was ist das schon wieder für ein esoterischer Quatsch“ und ungefähr so muss ich auch reagiert haben. Sie hat es nicht mehr erwähnt.
Danke für diesen Beitrag! Ich werde sie mal nach dem Buch fragen und ihr damit vielleicht auch etwas von der Anerkennung geben, die ich ihr vorenthalten habe.
Beim Lesen deines Artikels ist mir der Gedanke gekommen, dass ich das vielleicht oft getan habe. Meine Mutter hatte eine sehr, sehr schwere Kindheit und ich glaube, sie hat es mit Hilfe solcher Bücher wie diesem geschafft, ihren Dämonen zu entkommen und eine gute Mutter zu sein.
Ich hätte das viel mehr anerkennen müssen! (und fange bei dem Gedanken daran gerade in der Bahn an zu heulen. Vielleicht ruf ich sie mal an).
Tu das. Ich glaub, das ist ’ne gute Idee. <3