Diskussion: Emotionen entdecken und begleiten – aber wie?

„Mama ich will weinen!“, sagt mein großer Kleiner einfach so aus heiterem Himmel zu mir. Es ist kurz nach 17 Uhr, ich weiß, dass er total erledigt von einem langen Tag ist. Aber wieso will er weinen? Ich frage ihn.

„Mama ich will weinen!“, wiederholt er. Auf meine „Warum?“-Frage kann er nicht antworten. Er kennt kein „weil“ und keine Begründung. Er handelt eben intuitiv, instinktiv, macht sich über warum und weil und Konsequenzen keine Gedanken.

„Wenn du weinen willst, weine. Aber ich glaub, das brauchste gar nicht, oder?“, versuche ich zu trösten.

„Doch!“, sagt er. Ganz entschieden. Ohne Diskussionsspielraum.

Und augenblicklich frage ich mich, wer ich Bitteschön bin, ihm einzureden, ob er jetzt gerade weinen „braucht“, oder nicht. Ich entschuldige mich dafür, nehme ihn auf den Arm und lasse ihn knören. Richtig weinen ist es nicht, aber ich kenne das Gefühl doch selbst, müde und kaputt zu sein und einfach rumjammern zu wollen. Ich schreibe dann meinen Freundinnen jammrige SMS oder meinem Mann, und er, er beschwert sich eben bei mir.

Ich bin überwältigt, wie gut er schon seine Gefühle und Bedürfnisse äußern kann. Er bittet mich oft, ihn zu trösten, zum Beispiel. Er möchte, dass ich puste, wenn er sich stößt und anschließend schimpfen wir zusammen die Kante aus, die schließlich Schuld war. Ich denke, er sieht, dass ich seine Emotionen ernst nehme. Mein Credo: seine Gefühle sind sein gutes Recht. Danach versuche ich zu leben und zu erziehen.

Ein „Ach war doch gar nicht so schlimm“ nach einem Sturz oder einem Stoßen gibt es bei mir nicht. Ich kann nicht einschätzen, wie schlimm es für ihn war und möchte ihm auch nicht das Gefühl geben, ich deutete Weinen oder Schreien darauf hin als übertrieben, unangebracht oder gar als Schwäche. Ich tröste ihn, wenn er es braucht, lache aber auch mit, wenn es einfach zu lustig aussah und er selbst darüber lachen kann. Ich versuche, mich nach ihm zu richten und auf seine Emotionen einzugehen.

Doch er ist nun 2 Jahre alt und auch ich kann durchaus sehen, dass meine Reaktionen auf seine Emotionen und Taten wiederum Reaktionen bei ihm auslösen. Nicht um zu manipulieren, vermute ich, sondern weil es für ihn gelernt ist. Und tatsächlich gibt es Situationen, beim Auto fahren zum Beispiel, da weiß er, dass er mit bitten und diskutieren nicht weit kommt und zückt sie, die E(motions)-Karte. Jammrig und müde sagt er, dass er weinen will, wenn ihm eine Fahrt zu langweilig ist. Die ersten Male fühlte ich mich schlecht, meinem Sohn für meine Bedürfnisse eine lange Fahrt aufzuzwingen, später bemerkte ich aber, dass es mit Beschäftigung für ihn einfach ok ist und alles davor ein „Stilmittel“ um mich zu einer Reaktion zu bewegen.

Was ist jetzt also ok? Wann sind es Situationen, in denen wir dem Kind sein jammern, traurig sein, meckern absprechen „dürfen“ und wann nicht? Wie geht ihr auf die unterschiedlichsten Emotionen ein? Habt ihr immer genügend Kraft und Geduld, euch zum bockigen Kleinkind zu hocken und zu erklären? Mit sanftem, engelsgleichen Ton oder gibt es auch bei euch mal Situationen, in denen ein schärferer Ton sich nicht vermeiden lässt?

Wie steht ihr zum „Ach ist doch nicht so schlimm!“ oder gar zum „Stell‘ dich mal nicht so an!“. Zu Phrasen wie „Bis du heiratest, ist es vergessen!“ oder wendet ihr vielleicht Tricks an, Ablenkung, Spaß darüber machen oder Themenwechsel?

Ich bin gespannt auf eure Erfahrungen im Umgang mit den Emotionen eurer Kinder.

 

2 Antworten

  1. Hallo Rabenmutter,
    Ich kann deine Einstellung zum Thema Emotionen hundertprozentig unterschreiben. Jedes Gefühl hat seine Berechtigung und ich versuche eigentlich immer meinem Kleinen empathisch zu spiegeln, was ich sehe. Ohne große Worte oder Erklärungen, er ist noch keine 3. wenn ich geduldig und entspannt bin, wiederhole ich gerne die gefühlten 35 mal hintereinander, dass „du traurig bist, weil du das windrad nicht haben kannst“ etc. Wenn ich merke, dass meine Nerven langsam reagieren, sage ich lieber weniger oder nichts, anstelle etwas Unfreundliches. Meine Emotionen sind ebenfalls berechtigt, aber ich vermeide es, sie am Kind auszuziehen. Dann bleibe ich zwar präsent für mein Kind, aber konzentriere mich mehr auf mein eigenes Herz, die Enge in der Brust, vertiefe meinen Atem, finde meine Balance. Da sein, wenn mein Kind traurig / wütend / empört o.ä. ist, empfinde ich als eine Selbstverständlichkeit. LG Jitka

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