Bloggen ist aktuell mein Hobby, könnte man so sagen. Ja, ich schreibe für mein Leben gern. In meinem Kopf ist es stets sehr laut, dort irren Gedanken hin und her und halten praktisch nie an. Wenn ich schreibe, sortiere ich sie. Ich lege Wert darauf, dass es eine Struktur gibt, dass meine geschriebenen Worte gut klingen und mein Stil die Leser anregt, weiter zu lesen. Ich wollte schon immer ein Buch schreiben, finde jedoch nichts was ich anfange letztendlich gut genug. Für’s Bloggen reicht es, und das sage ich nicht, weil ich es abwerten will, nein im Gegenteil: in kurzen Geschichten und Artikeln vereine ich meine Leidenschaft am Schreiben mit einem sinnvollen Mehrwert für meine Leserschaft, denke ich. Daraus wird niemals ein Buch entstehen, aber meine Worte sind hier gut aufgehoben und am Feedback merke ich, dass sie jemanden da draußen interessieren. Es könnte also alles eine perfekte Verbindung sein, wenn nicht…
Wenn da nicht mein altes Leben wäre, in dem ich alles andere war als diejenige, die ich heute bin.
Ein kurzer Exkurs in die Zeit vor 2013 beweist das:
Ich zog nach dem Abi her, wollte studieren, merkte aber nach dem ersten Besuch im Hörsaal, dass mir das Korsett zu eng war, und reichte die Exmatrikulation ein. Ich machte eine Ausbildung, arbeitete die folgenden 2,5 Jahre praktisch rund um die Uhr, und tat ich das mal nicht, stand ich tanzend auf irgendwelchen Tischen in fragwürdigen Kneipen und versoff die letzten Taler des Monats. Ich lernte meinen Mann kennen und zusammen zogen wir, der Jobs wegen, nach dem Abschluss um. Wir verdienten gutes Geld, wurden befördert, alles ging relativ schnell. Mein Mann war bald Abteilungsleiter, ich hatte mich in Vertrieb, Marketing und Event durchgesetzt und Weiterbildungen begonnen. Wir wollten weiterkommen, wussten zwar nicht wohin, aber Stillstand oder Ausruhen war keine Option. Ich nahm 2 Jahre später einen Traumjob an, in einer Agentur. Etablierte mich dort bald zu Chef’s rechter Hand, arbeitete mehr und mehr und mehr und immer mit Herzblut. Ich liebte und lebte die 50-70 Stunden-Wochen, das Adrenalin, die Verantwortung, die Anstrengung.
Und doch gab es die Schattenseiten.
Die Überstunden waren unbezahlt, das ist in der Eventbranche fast üblich. Der Lohn für meine Arbeit war nicht angemessen. Die Aussichten auf eine Lohnerhöhung ohne Bitten und Betteln waren schlecht. Der Stellenwert für meine Arbeit und Anerkennung blieben häufig aus. Ich gab viel und bekam wenig.
Mein Mann arbeitete nachts, ich tags. Unsere Beziehung existierte kaum, wir sahen uns ja nie. Freunde und Familie traf ich immer seltener.
Körperlich war ich nicht mehr fit. Meine Ernährung war schlecht, ich hatte zu wenig Ausgleich und doch hing ich an alledem.
Ich hatte mich frühzeitig gegen Kinder entschieden. Mein Mann nicht. Doch das stand kaum zur Diskussion; in mein Leben passten keine Kinder! Und ich war schließlich noch nicht am Ziel.
Im Winter 2012/2013 merkte ich eine zunehmende Verschlechterung meiner körperlichen Gesundheit. Ich war abgeschlagen und müde und wollte kürzer treten, doch fand den Absprung nicht. Ich erinnere mich, wie ich in den Spiegel blickte, mein blasses Gesicht sah und darüber nachdachte, dass ich aus freien Stücken doch nie und nimmer etwas ändern würde. Dass erst wieder jemand kommen und mich zwingen müsste.
Ich behielt Recht. Im April war ich schwanger. Ungeplant und anfangs ungewollt. Noch dazu mit übermäßigem Erbrechen und wer jetzt da einen Zusammenhang erkennen will dem sei gesagt: ich fing ERST zu brechen an und erfuhr DANN, dass ich schwanger war. Also nein, es lag nicht daran, dass ich mein Kind nicht annahm.
Ich wurde häufig ohnmächtig. Erbrach auf der Arbeit, konnte meine Aufgaben kaum oder gerade so erledigen. Hielt in den seltensten Fällen 8 Stunden Dienst durch. Ich war nicht mehr ich, war nicht mehr belastbar, Stress machte mich schwach, ich war schlapp und krank. Mein Chef hasste es, brachte nur wenig Verständnis auf. Der einzige Grund für mich, nicht in ein Beschäftigungsverbot zu gehen, war mein Kopf, dem es schwer fiel, sich umzugewöhnen und zu akzeptieren.
Mein Baby wurde Ende 2013 geboren und von nun an war nichts mehr wie früher. Ich war in Elternzeit und schon kurz nach seiner Ankunft hier, mischte er alles auf. Heute, 2,5 Jahre später, kenne ich die Gründe, kenne meine Fehler, wünschte mich zeitversetzt um es anders zu machen. Doch der Punkt ist: ich und meine Welt, die ich mir mühselig erarbeitet hatte, kamen nicht damit zurecht, dass ich plötzlich nicht mehr so richtig ich war. Aus der 24/7-Workaholic war eine Mutti geworden. 24/7 war es trotzdem, doch anders. Ich hatte Schwierigkeiten, mit der Verantwortung umzugehen, die ich für mein kleines Baby hatte. Die Welt prallte auf mich ein und zeigte mir plötzlich Dinge, die für mich als kinderlose Erwachsene halb so wild waren – als Mutter aber plötzlich eine Gefahr, ein Risiko oder die einfach nur dafür sorgten, dass mein Baby unglücklich war. Ich hatte ein Jahr Elternzeit beantragt, ging nach einem Jahr wieder zurück – und hasste es, mein Baby abgeben zu müssen.
Ich war bereits wieder schwanger, brachte ein halbes Jahr später meinen kleinen D-Von zur Welt und zum ersten Mal wurden sie laut, die Stimmen von außen. Die Menschen aus meinem früheren Leben, die mich dafür auslachten, zweimal ungeplant schwanger geworden zu sein.
Die sarkastische Sprüche machten, mich Hippie nannten, weil ich trug, mich Öko nannten, weil ich langzeitstillte, die über meine Mutterschaft grinsten, weil ich meine Kinder nicht bei Oma und Opa schliefen ließ, um endlich wieder besoffen mit Ihnen auf dem Tisch zu tanzen.
Ich bin jemand anderes, heute und ja: meine Kinder sind der Grund. Als ich schwanger war, sprachen die Leute von einer riesigen Verantwortung, die man hat, wenn man ein Kind bekommt und so richtig wusste ich erst, was sie meinten, als Bubba Ray ungefähr ein Jahr alt war. Vielleicht meinten einige, die Verantwortung ein Kind zu wickeln und zu füttern, nachts aufzustehen oder regelmäßig zum Arzt zu fahren, wer weiß. Doch das war es nicht für mich. Schnell merkte ich, dass jede einzelne meiner Entscheidungen eine SPUR hinterließen.
Für die Welt da draußen wäre ein Abend mit Freunden nur ein Abend mit Freunden gewesen – für meinen Sohn aber war es ein Abend ohne mich. Ohne den wichtigsten Menschen seiner Welt.
Für die Welt da draußen wären ein paar Stündchen arbeiten eben nur ein paar Stündchen arbeiten gewesen – für meinen Sohn war es aber abgeliefert werden bei fremden Menschen, obwohl er nicht bereit war und sich fürchtete.
Für die Welt da draußen war er nur ein Kind – für mich war dieses Kind die ganze Welt.
Und ja, liebe Menschen „von früher“, ihr seht mich nun nicht mehr besoffen auf Tischen tanzen, denn ich stille seit fast 3 Jahren durchgängig und das wird auch noch sehr lange so bleiben.
Richtig, liebe Welt von früher, ich arbeite zur Zeit nicht, aber das werde ich wieder, nur eben anders.
Und auch wenn ihr grinst, liebe Leute von damals, darüber, dass ich, die doch nie Kinder wollte und immer scherzte, wie es naiven Frauen nur passieren könne, ungeplant schwanger zu werden, ich blogge darüber. Denn vielleicht erreiche ich jemanden, der sich hier verstanden fühlt, der hier reden und lesen kann, ohne sich ausgelacht zu fühlen, weil er mit den Leuten von früher eben nicht mehr sprechen kann.
Bereue ich also, den Blog eröffnet zu haben, fragt „Noch ne Muddi“ in ihrer Blogparade #regrettingbloggerhood?
Nö. Ich bereue nichts.
Ich bereue nicht die zermürbende, anstrengende Arbeit von früher, nicht die Leute von früher, nicht meine Kinder, nicht meinen Weg mit Ihnen, nicht meinen Blog und auch nicht, dass ich darüber schreibe.
Ich bereue, dass ich das Grinsen einiger bestimmter Personen manchmal zu nah an mich rankommen lasse, dass ich mich beleidigt und abgewertet fühle, dass ich mich emotional zu schwer distanzieren kann. Aber das wird wohl die Lektion sein, die ich selbst für mich aus meinem Blog lernen muss.
Liebe Menschen von früher, die ihr gernervt seid und lächelt: wenn ihr mit mir nicht über meine Kinder reden möchtet, dann fragt mich etwas anderes. Die Frau von früher, die gibt es noch. Sie ist einfach nur gerade nicht so präsent wie die Mutter, die zwei sehr betreuungsintensive Kinder unter 3 Jahren gerade brauchen. Kommt doch vorbei, in mein buntes, chaotisches Leben, seht euch meine Augenringe und ungeputzten Böden an und belächelt die, anstatt mir das Gefühl zu geben, meine Welt nicht beschreiben zu dürfen, weil es nicht zu dem Bild passt, dass ihr von früher von mir habt.
Und bitte: räumt eure Kaffeetasse selber in den Spüler, denn ich blogge in den paar freien Minuten am Tag lieber, als aufzuräumen.
7 Antworten
Pingback | Noch ne Muddi
Liebste Kathrin,
hast du sehr, sehr schön geschrieben! Und es kostest doch einiges an Mut, sowas öffentlich zu schreiben, ich kenn das!
Vor allem den letzten Absatz fand ich süß! Mach bitte so weiter, du Öko-Tussi!! 😉
Alles Liebe,
Irene
Danke dir Irene, das werde ich 🙂
<3 !!!
Ich kann Dich so gut verstehen. Mir geht es ähnlich. Danke für diesen Text! 🙂
Du hast das sehr schön geschrieben.
Ich bereue auch nichts und wenn ich ehrlich bin, hat mich der erste Shitstorm auch ein bisschen härter und abgebrühter gemacht, obwohl mich der wirklich mitgenommen hat und mir einige schlaflose Nächte bereitet hat. Der nächste wird mich etwas gelassener bleiben lassen und nicht so sehr aufwühlen, denke ich.
Trotzdem lasse ich gerade Kritik (generell, nicht nur beim Bloggen) zu nah an mich herankommen und sofort kommen wieder Zweifel durch. Das möchte ich so gerne abstellen, aber ich weiß nicht, wie. Vielleicht lerne ich es irgendwie irgendwann.
Das Bloggen hilft mir, Situationen zu beleuchten, Kontakte zu Gleichgesinnten zu bekommen, die man im Real Life vermutlich nicht treffen würde und Feedback zu bekommen.
Obwohl es mir manchmal wie eine Verpflichtung vorkommt, gerade wenn meine Ideen nur so sprudeln, aber die Zeit fehlt, dann denke ich, dass es ohne Blog vielleicht stressfreier wäre. Aber dann würde mir auch irgendwie was fehlen. Deshalb kann ich sagen: nein, ich bereue nichts.
Und wenn ich es schaffe, schreibe ich auch noch einen eigenen Artikel dazu, bevor die Blogparade endet.
Liebe Grüße,
Reni
Das klingt gut und doof gleichermaßen – einen Shitstorm wünsche ich ja keinem, auch wenn es für die Blogstatistik ja nix besseres gibt. 😉
Liebe Reni,
Kritik geht mir auch immer sehr nahe. Ich denke lange darüber nach und brauche auch lange um zu verarbeiten. Aber ich sehe es positiv: letztendlich schützt es mich. Denn sich selbst zu reflektieren und immer wieder zu hinterfragen sorgt dafür, dass du deiner Linie treu bleibst. Das ist wertvoll!
Liebe Grüße 🙂