Applaus

Kürzlich waren wir auf einer Hochzeit eingeladen. Eine wunderschöne, stilvolle Zeremonie in einem kleinen Ambiente-Trauort. Es spielte eine kleine Band, nur Pianist und Sänger, die wirklich ganz wundervoll war. Sie spielten einen Song, nachdem keiner klatschte. Den zweiten direkt nach dem Ja-Wort. Ich war ergriffen und sehr berührt und da mir ohnehin oft scheissegal ist, ob ich mich in den Augen anderer jetzt blamiere oder nicht, fing ich an zu klatschen. Die übrigen Hochzeitsgäste stiegen ein, wir pfiffen und johlten und die Band bekam den Dank, den sie verdiente. Ein Stück zurück von dem Gefühl, das sie uns gegeben hatten.

Am Abend eröffnete das Brautpaar die Tanzfläche zu einem wirklich großartigen Song. Drumherum die Hochzeitsgesellschaft mit Kameras und Fotoapparaten und Taschentüchern. Nach dem ersten Refrain klatschte ich auf 2 und 4 und alle stiegen ein. Dem Paar gab das Aufschwung und Sicherheit, angefeuert zu werden und von ihren Liebsten eine Unterstützung zu bekommen. Und wir, die klatschenden Zuschauer waren es wieder, die etwas gaben: Support, Begeisterung, Freude.

Zweimal war ich es, die den Applaus begann und die Meute überzeugen konnte, mitzumachen.

 

Es hätte aber auch anders laufen können.

Zum Beispiel hätte ich, nachdem ich angefangen hatte zu klatschen, auch aufspringen und brüllen können „HEY! Lasst das! Das war meine Idee!! ICH habe als Erste geklatscht und wenn ihr das nachmacht, dann ist das Klauen!!“ Oder, ich hätte es auch ganz lassen können. Dann hätte niemand geklatscht, die Band wäre demoralisiert heim gefahren, mit dem dumpfen Gefühl im Bauch, ihre Musik nicht gut gemacht zu haben. Oder das Brautpaar am Abend hätte vielleicht keine guten Erinnerungen an den Tanz, an diesen wichtigen Moment gehabt, wenn alle nur da gestanden und geglotzt hätten. So ganz ohne eine Emotion.

Mein Gefühl dahinter aber war es, dass mich innerlich aufstehen und LOSGEHEN ließ. Dass mich den ersten Schritt machen, einfach anfangen ließ. Und beide Male war ich glücklich, als die anderen einstiegen. Nicht, um mich damit zu beweihräuchern, dass ich so eine wahnsinnig tolle Idee hatte und mich zu ärgern, dass keiner das würdigte, indem er zu mir kam und sagte „Mensch Kathrin, wie wunderbar dass du geklatscht hast! Ohne dich wäre die ganze Hochzeit für’n Arsch gewesen!“. Sondern weil das Ziel, andere Menschen (Band und Paar) für diesen Moment zu unterstützen und ihnen ein gutes Gefühl zu geben, geklappt hat.

Ich mag diejenige gewesen sein, die als Erste die Idee hatte, zu klatschen.

 

Aber ich habe den Applaus nicht erfunden.

Den Applaus gibt es seit vermutlich Abertausenden von Jahren, es gibt ihn in verschiedenen Formen, Lautstärken und in jedem einzelnen Land auf diesem Planeten. Er ist einfach ’ne geile Idee! Und er tut gut. Er ist wichtig für unsere Menschheit und unsere Welt und es ist nur eine kleine Form, etwas auszudrücken.

Nun könnte ich, nachdem diese Welt schon tausende Jahre mit Applaus existiert, zum Patentamt gehen und mir ein R, C oder TM geben lassen. Damit jeder andere, der jemals wieder für seine Lieblingsband klatschen will, zuerst mich fragen muss. Aber wieviel Mehrwert gebe ich der Welt damit? Was habe ich – menschlich gesehen – davon, ab sofort allen zu erzählen, der Applaus wäre meine Idee gewesen und wenn ich an diesem Tag der Hochzeit nicht angefangen hätte, dann hätte das Brautpaar vielleicht sogar noch Nein gesagt?

 

Die Antwort lautet: Nichts.

Es ist großartig, dass überall auf der Welt Menschen klatschen und anderen Menschen für ihre Musik, ihre Leistung, ihre Idee, ihre Kunst, ihre Arbeit, ihr AUFSTEHEN und LOSGEHEN Applaus schenken. Macht weiter so! Klatscht laut. Steckt alle an. Verteilt den Applaus überall auf der Welt. Wir brauchen ihn.

Es ist nicht wichtig, wer den Applaus erfunden hat. Nur, dass es ihn gibt. Und sein Überleben zu sichern ist die größte Dankbarkeit, die ihr seinem Erfinder schenken könnt.

In diesem Sinne: lasst uns mehr Liebe und Applaus starten und verteilen.

Eure Kathrin

Eine Antwort

  1. Da ich auch Musik mache und schon ab und an aufgetreten bin, kann ich aus Sicht der Musiker sprechen. Nichts ist schlimmer als ein desinteressiertes Publikum. Toll, dass du die anderen anwesenden mitreißen konntest. So sollte es immer sein, wenn es um Gutes geht.

    Liebe Grüße
    Rebecca

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