Ach herrje was hab ich mir doch für Gedanken gemacht, in der ersten Schwangerschaft. Darüber, was ich esse und was nicht, was ich trinke und was nicht, wieviel ich schlafen sollte, wieviel ich ruhen sollte, wieviel Stress ich vertrage und wann es zu viel ist, wie oft ich an die frische Luft sollte und wann es zu kalt oder zu regnerisch ist, welche Nährstoffe ich supplementieren sollte und was ich besser für immer und ewig aus meinem Leben streichen sollte.
Und warum?
Nein, als besonders ängstlich würde ich mich nicht bezeichnen. Aufgrund der Schwangerschaftskrankheit unter der ich leide und litt, fielen viele Sachen sowieso automatisch raus. Essen und Trinken zum Beispiel war reine Glückssache. Genau wie Stress und Freizeitaktivitäten. Angst hatte ich in den ersten 40 Wochen mit meinem Sohn daher hauptsächlich um ihn. Ich ernähre mich generell sehr gesund, habe zwei Hunde und bin entsprechend viel an der Luft und Stress gehörte zu meinem Leben wie das tägliche Zähneputzen. Es war die Zeit, die viele viele Zeit, die man in der ersten Schwangerschaft hat, die all diese Gedanken hervor brachte.
Also las ich. Zeitschriften, Bücher, Blogs, Foren. Alles was mich so interessierte, googelte ich mal. Ich lese gerne und viel, es liegt also in meiner Natur. Und die Zeit ließ es zu. Denn ich verbrachte viele Stunden auf gemütlichen Spaziergängen, auf der Wiese mit dem Tablet auf dem Schoß, auf der Couch mit dem Smartphone in der Hand, im Bett mit einem Buch oder in der Badewanne mit einer Zeitschrift. Dabei hörte ich leise Musik, die ich mochte und war ungestört, allein mit meinem Baby im Bauch, das alles hatte was es brauchte und umsorgt war, während Mama etwas für die Seele tat.
11 Monate nach der Geburt meines ersten Sohnes wurde ich wieder schwanger.
Das ist keine lange Zeit. Er konnte nicht laufen, als ich den positiven Schwangerschaftstest in der Hand hielt. Er krabbelte also durch das Bad, während ich testete. Und räumte dabei zum tausendsten Mal an diesem Morgen (es war 8 Uhr) den Waschbeckenunterschrank aus. Und rollte das Klopapier ab. Zum dritten Mal. In den Wochen und Monaten nach dem Test ging das selbe Spiel los, wie beim ersten Mal. Ich erbrach und zwar nicht nur mal eben morgens kurz sondern den gesamten Tag. Parallel hatte mein Kleiner seine Eingewöhnung bei der Tagesmutter, war müde und gestresst und ich am Ende meiner Kräfte. Im Januar fing er an zu laufen, wollte das Tag und Nacht üben. Und ich kam aus der Elternzeit zurück in meine Stelle. Mit Erbrechen, mit Übelkeit, mit Müdigkeit und dieser andauernden Schwere. Im Februar wechselte er die Tagesmutter. Der Bauch fing an zu wachsen, er wurde immer agiler, ich immer weniger agil. Der Wechsel zur neuen Bezugsperson war hart und ermüdend. Er war wütend und frustriert und während ich über seinem Windeleimer hing und mir alles hoch kam, haute er mir seine Bauklötze, Autos oder was er grad in der Hand hatte gegen den Kopf. Schaffte ich es ins Bad, kam er hinterher und versuchte, den Klodeckel zu schließen, während ich darüber hing. Im März wirkten die Medikamente endlich und die Qual wurde weniger. Das Wetter wurde besser, wir konnten – nach meinem letzten Krankenhausaufenthalt – sogar mal wieder raus und die Nachmittage draußen verbringen. Im April, der Bauch war rund und mächtig gewachsen, war er flink und agil und mit dem Dreirad oder dem Bobbycar in der gegenüberliegenden Schrebergartenanlage unterwegs. Er wollte schaukeln und rutschen, also hielt ich ihn auf der Schaukel fest und verrenkte mich, ich kletterte die Rutsche hoch und saß mit ihm im dreckigen, nasskalten Sand. Im Mai, mitten im zweiten Drittel, gingen Symphyse-, Rücken- und Knieschmerzen los. Ich trug meinen Sohn die Treppen zu unserer Wohnung hoch, ich kochte jeden Tag frisch, ich räumte die Wohnung auf, wenn er grad ein Buch anschaute und kniete stundenlang auf dem Boden um mit ihm Türme zu bauen. Ich schlief nicht, denn er tat das auch selten (zumindest die ganze Nacht durch), stieg morgens um halb sieben müde, geschwächt und mit Schmerzen auf, wusch ihn und zog ihn an, brachte ihn zu seiner Tagesmutter, fuhr zur Arbeit, holte ihn mittags ab, musste ihn zwingen mit mir mit zu kommen, da er ständig seinen Kopf durchsetzen wollte, durfte ihn kaum noch die Treppen hochtragen sondern musste ihn in gebückter Haltung nur stützen, damit er selber laufen konnte, setzte ihn in seinen Hochstuhl und hob ihn wieder heraus, spielte mit ihm Fußball im Garten und kletterte weiterhin Rutsche / Karussell / Wippe herauf. Jetzt, im Juni, begann der Mutterschutz. An den Morgenden ist mein Sohn bei seiner Tagesmutter und ich springe weiterhin nicht quietschfidel aus dem Bett nach durchzechten Nächten. Ich binde den Bauch, der dieses Mal viel größer ist, mit einem Tragetuch ab, damit die Symphyse nicht so zwickt. Ich schaffe es die 100qm zu saugen, kann aber nicht mehr im Anschluss wischen. Ich koche weiterhin frisch und verbringe die Nachmittage mit meinem Sohn.
Wenn ich frisches Obst esse, dann das, das er nicht mag oder schon zweimal auf den Boden geworfen hat. Wenn ich bade, dann mal eben schnell mit ihm zusammen oder an einem Wochenende, an dem mein Mann und ich mal so viel zeit haben, dass wir den Einkauf UND eine Ruhepause am gleichen Tag schaffen. Ich lese. Den Newsfeed auf Facebook in den 10 Minuten am Morgen und Nachrichten meiner Freunde bei Whats App. Ich esse und trinke, bestimmt auch gesünder als in der ersten Schwangerschaft, denn ich koche gesund und ausgewogen für meinen Sohn und das was er bekommt, essen wir schließlich auch.
Ich habe nur die Hälfte der Arzttermine wahr genommen, keinen Kurs gemacht, meine Hebamme viel seltener gesehen, weniger geschlafen, weniger geruht, keine Zeit gehabt um mir über Supplementierung oder fehlende Nährstoffe Gedanken zu machen, war keine Babykleidung shoppen und habe nicht schon seit der 26. Schwangerschaftswoche das Kinderzimmer und alle anderen Räume auf das neue Familienmitglied vorbereitet. Ich liege nicht mit der Hand auf dem Bauch auf dem Sofa oder auf ein grünen Wiese, ich höre und spüre mein Kind, führe aber keine tiefgründigen Gespräche mit ihm, so wie beim ersten Mal.
Ich überlebe gerade so zwischen Müdigkeit, dreckigen Windeln und einer chaotischen Wohnung.
Aber was soll ich euch sagen – diese Schwangerschaft ist so viel besser als die erste.
Denn ich habe keine Zeit, mir über alles Gedanken zu machen. Mein kleiner, kluger Sohn beansprucht mich und ich genieße jede Stunde unserer Nachmittage so sehr, wenn er mir aus dem Sandkasten ein forderndes „Mama auch!!“ entgegen brüllt. Ich sauge jedes falsche Wort in mich auf, jede Reaktion auf meine Erklärungen, jeden Wutanfall, wenn ich ihm etwas abnehme obwohl er doch schon (ich zitiere) „groß!!!!“ ist, jedes Lachen und jeden liebevollen, viel zu nassen Kuss.
Eine Schwangerschaft sollte man genießen, sagen alle. Nun – das kann ich persönlich von beiden Schwangerschaften nicht behaupten. War die eine körperlich und seelisch eine totale Herausforderung, so war die zweite körperlich und zeitlich eine riesen Aufgabe. Das Gefühl, dass die eigenen Kinder, auch wenn 50% noch ungeboren sind, maßlos an einem zerren, überschattet alles. Und ich habe Prioritäten sehr früh gesetzt. Die Wäsche wäscht mein Mann, die Wohnung bleibt eben auch mal chaotisch und dreckig, tja und ich…
Ich überlebe zwischen Müdigkeit, dreckigen Windeln und dem Chaos hier. Es ist schwer, es ist schmerzhaft, es ist auslaugend und kräftezehrend.
Aber es macht mich auch sehr glücklich, den großen Kleinen wachsen zu sehen, im Kopf die Vorstellung, dass wir gerade einen guten Menschen und unter Garantie einen guten großen Bruder machen, den kleinen Kleinen wachsen zu spüren, auch wenn es mir die Atemluft, die Beweglichkeit und den Schlaf raubt, im Kopf das Wissen, dass alle Ängste fort sind, ich weiß, was auf mich zukommt, dass er profitieren wird von meinen Versuchen bei seinem großen Bruder, dass er eine souveräne Mama hat, die keine Experimente macht und nichts mehr googelt, sondern nach Bauch entscheidet.
40 Wochen, 34 davon geschafft. Da sollte der Rest doch ein Klacks werden 😉
Naja. Wir werden sehen.
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