Ich liege noch im Bett und höre Bubba Ray auf der anderen Seite der Wohnung erzählen, singen, tanzen, rufen. Zwischendurch fliegt eine Tür der Kinderküche; D-Von spielt unermüdlich das lustige „Tür auf – Tür zu“-Spiel. Irgendwo dazwischen manchmal die tiefe Stimme meines Mannes, der bei den Kindern sitzt und mich im Bett liegen lässt.
Es ist Samstagmorgen, für gewöhnlich der Tag, an dem wir noch früher aufwachen, als unter der Woche. Denn wenn Freitagnachmittag der geliebte Papa von der verhassten Arbeit kommt und Bubba erzählt, dass jetzt „Wochenende“ und morgen „Samstag“ ist, brechen hier alle Dämme. Bubba schlägt samstags die Augen auf, dreht sich zu Papa und noch bevor irgendwer im Stande ist, guten Morgen zu sagen, stellt er die für ihn alles entscheidende Frage: „Papa, musst du heute nicht arbeiten?“
Keine Frage, ich genieße die halbe Stunde im Bett, wenn ich und mein Kaffee so ganz für uns alleine sind. Wenn ich meine Twitter- und Facebook-Timeline in einer Mischung aus dekadenter Langeweile und gemischtem Interesse durchscrolle, manchmal einen Blogpost verfasse oder Artikel lese. Das sind Dinge, die ich unter der Woche auch tue, die aber abgehetzt und schnell passieren müssen, denn die Zeitfenster, in denen die beiden mich gerade mal nicht brauchen, sind knapp. Ich habe zwei Kinder unter 3 Jahren und damit 24/7 Beschäftigung. Das wird noch ein paar Jahre so bleiben und das ist auch okay. Schließlich sind ihre Bedürfnisse noch relativ ähnlich, wir drei müssen einen ganz schönen Spagat hinlegen, um alle einigermaßen zufrieden zu stellen und meist bleibt da eben nicht viel Zeit für anderes.
@fraumierau @2kindchaos @neinausliebe Mein persönlicher Betreuungsschlüssel für U3 ist 1:3 – ein Kind, drei Erwachsene! <3
— Nicola Schmidt (@123windelfrei) 9. März 2016
Ich lebe damit, dass die eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund rücken. Besonders glücklich bin ich damit nicht immer, ist damit vermutlich keine Mutter, selbst schuld aber auch keine. Es ist das System, das nicht viel Luft zum Aufatmen lässt, zwischen 40 Stunden Arbeit (oder mehr) der Väter pro Woche, plus Anfahrtswege – die Seminare, Weiterbildungen und Schulungen an Wochenenden oder an Abenden mal ausgenommen – ddem Wocheneinkauf, den übrigen Pflichten und da war doch noch was… ach ja! Familie. Mein Mann ist damit vermutlich kein Einzelfall. Er ist nicht im gehobenen Management, wo Väter ihre Kinder praktisch nur an den Feiertagen sehen, sondern Angestellter. Er kommt zum Abendbrot heim, übernimmt eines der Kinder, wir bringen beide gemeinsam ins Bett. Auch wenn die Zeit knapp ist, so hat er zumindest ein bisschen davon mit ihnen. Doch ich sehe sie ihm an, diese Müdigkeit. Davon, den ganzen Tag angepasst gewesen zu sein, vom Geschäftsbriefe, Verträge und Emails schreiben an Kunden und Geschäftspartner, von der ausgefallenen Mittagspause und einem Acht-Stunden-Arbeitstag nach durchzechter Nacht mit zwei nicht schlafenden Kindern. Ich wünschte, ich könnte ihm und mir mehr Luft zum Atmen verschaffen, eine obligatorische Viertelstunde nach dem Heimkommen oder eine Stunde Schlaf mehr pro Nacht.
Doch Bubba interessiert das wenig. Er versteht nur „Samstag“ und „Wochenende“ und der Fall ist für ihn klar: mein Papa gehört mir.
Bubba Ray war schon immer ein Papa-Kind. Das mag am ausgedehnten Bonding im Kreißsaal liegen oder vielleicht auch einfach daran, dass mein Mann seine Kinder vergöttert und alles gibt, um ihnen seine Liebe zu zeigen. In seinen Augen sehe ich Bewunderung und Wärme und das sehen sie auch. Vor allem mein sensibler und weicher Bubba spürt es und springt – das kann man anders nicht sagen – voll darauf an. An den Wochenenden haben wir hier einen Zweieinhalbjährigen, der all das, was unter der Woche für ihn ein potenzieller Stressauslöser sein kann, einfach weglächelt. Papa ist da, keine Zeit für Wutanfälle. Er weiß: die Zeit ist begrenzt. Nur zweimal schlafen und schon ist sie vorbei, diese tolle Zeit, in der beide Eltern da sind und selbst wenn wir langweilige Dinge wie aufräumen, putzen und einkaufen müssen – ganz egal, Papa ist da. Bubba Ray kann egal wie schlecht geschlafen haben, kann egal wie schlecht gelaunt gewesen sein, kann egal wie viele Wutanfälle an den Tagen davor gehabt haben – vollkommen egal. Papa ist da, es ist Samstag und der Samstag hat nun mal seine eigenen Gesetze.
Ich räume den beiden die Exklusivzeit ein, die sie brauchen, um sich gegenseitig am Wochenende aufzutanken. Ich profitiere von der Ausgeglichenheit meines Sohnes schließlich mit. Es gibt weniger Frust, denn es hat immer einer eine Hand frei und das Beste: an den Wochenenden hört er mal nicht, was er sonst ständig unter der Woche zu hören bekommt. Irgendwer arbeitet immer, irgendwer vertröstet uns immer, irgendwer hat immer nur begrenzt Zeit, irgendeiner fehlt immer. Die Situation ist so wie sie ist und lässt sich nicht ändern. Kinder wachsen nur so schnell wie sie wachsen, ihre Bedürfnisse lösen sich nicht über Nacht in Luft auf und so benötigen wir wirklich viel Hilfe und mittlerweile bin ich mir nicht mehr zu schade oder zu stolz, um auch danach zu fragen. Doch, Hilfe von außen ist nur in den seltensten Fällen bedingungslos. Und das ist nicht mal ein Vorwurf, meine Eltern arbeiten, unsere Freunde arbeiten, die Eltern meines Mannes arbeiten, mein Mann arbeitet – irgendwie arbeiten eben alle. Und sie helfen uns dennoch, solange sie können. „Ich komme, aber ich kann nur bis..“ oder „Ich muss nur erst arbeiten, dann komme ich!“ hören wir also ständig. Und wenn Bubba mich so an die zweitausend Mal am Tag nach jemandem, den er liebt, fragt, dann hört er: „Tut mir leid, mein Schatz, derundder ist leider arbeiten!“
Es war der erste Dialog, den ich tatsächlich überhaupt mit meinem Sohn führte. Er fragte wo Papa sei, ich antwortete: „Bei der Arbeit!“ Im Zuge seiner sprachlichen Fähigkeiten drehte er den Spieß schließlich um und erzählte mir dann eben hunderte Male am Tag, dass sein Papa bei der Arbeit sei, und so weiter. Und nun spricht er, ganze komplette Sätze und Dialoge und einer davon ist der, um die Frage nach seinem Papa. Nur, dass er mittlerweile so gut sprechen kann, dass er auch die Gefühle, die er damit verbindet, gut äußern kann. Und so fragt er mich nicht mehr einfach nur danach, wo Papa ist, nein, er konkretisiert:
„Ich mag nicht, dass mein Papa arbeiten ist!“
Ich mag es auch nicht. Ich mag nicht, dass sein Vater die Tage mit fremden Menschen verbringt und deshalb ständig Gefahr läuft, die einschneidenden Entwicklungsschritte seiner Kinder nicht live mitzuerleben. Ich mag die Einsamkeit unter der Woche, die ich immer wieder empfinde, nicht. Ich mag nicht, dass die Kinder sich so stark an mir orientieren müssen, weil sonst keiner da ist. Ich mag den Druck nicht, der dadurch häufig auf meinen Schultern lastet und der mich stresst. Ich mag viele Erledigungen mit zwei Kindern unter Drei nicht alleine machen und deswegen bleibt viel liegen. Ich mag meinen Kindern nicht wieder und wieder erklären, dass es anders leider nicht geht. Ich mag nicht meinen Sohn trösten, nachdem ich gesagt habe, dass es eben anders nicht geht. Ich mag nicht akzeptieren, dass es anders nicht geht.
Doch leider geht es nicht anders.
Wir leben gut und sind glücklich, auch wenn wir alles andere als dekadent leben. Dieser Zustand wird sich in den nächsten Jahren nicht ändern, denn inwiefern ich meine alte oder eine neue Arbeit wieder aufnehmen kann und werde, ist noch unklar. Denn jedes Mal, wenn Bubba morgens länger schläft und nicht mitbekommt, wie sein Vater das Haus verlässt, jedes Mal, wenn er ihn nicht verabschieden und küssen kann, jedes Mal, wenn wieder einer seiner geliebten Großeltern keine Zeit hat, weil sie arbeiten müssen, einfach jedes Mal wenn die Begründung „Arbeit“ fällt, regnet es Tränen. Die ich trockne.
Und so überdenke ich weniger die Art und Weise, in der ich meinem Sohn die Tatsache, dass eben alle Menschen um uns herum uns an den zweiten Platz NACH ihrer Arbeit stellen (oder vielleicht zwangsläufig stellen müssen), nahebringe, als den Umstand an sich.
Was ist das für eine Gesellschaft, in der Familien mehr Zeit von einander getrennt verbringen, als zusammen? Liegt der Fehler nicht tatsächlich im System?
Betreuungseinrichtungen wie Kindertagesstätten, Kindergärten und Tagesmütter sind darauf eingestellt, dass die Trennung von den Eltern geübt werden muss, ja sogar, dass es Tränen gibt. Tränen, die scheinbar für alle unumgänglich sind. Tatsächlich aber wünsche ich mir Zeit und Ruhe, die Eingewöhnung so gestalten zu können, dass D-Von, der bald gemeinsam mit seinem Bruder zu unserer wunderbaren Tagesmutter geht, genauso gern dort bleibt wie Bubba und zwar ohne Tränen und ohne das Gefühl, dass ich gehe, weil es keine andere Wahl gibt.
Was das für meine berufliche Zukunft heißen mag, das steht in den Sternen. Doch ich bin sicher, dass wir nicht die einzige Familie sind, in der hinterfragt wird, ob das System wirklich so funktioniert oder ob wir es nur durch sicherlich nicht immer einfache Lösungen passend machen. In unserem Fall ist es klar: wenn Bubba Ray es sich aussuchen könnte, wären seine Eltern den ganzen Tag daheim, genau wie er und sein Bruder und wir würden gemütlich in den Tag hinein leben. Wenn er sich seine Woche selbst gestalten könnte, wäre jeden Tag Samstag oder Sonntag. Wenn es nach ihm ginge, würde niemals einer fehlen.
Ich lasse offen und bin gespannt, wie die Zukunft aussehen wird, wenn er morgens plötzlich auf beide Eltern verzichten und den Vormittag gemeinsam mit seinem Bruder in einer Betreuung verbringen wird. Wenn plötzlich Mama, die als einzige immer da war, nun auch noch sagen wird: „Tut mir leid mein Schatz. Ich muss arbeiten.“
Wir lassen es offen und überdenken unser System. Ich denke, das System hat Überholbedarf. Nicht nur unseres, sondern das große Ganze.
Ich bin ziemlich sicher, dass nicht nur mein Kind ungern 40 Stunden und mehr pro Woche von der Familie getrennt ist und das andere Familien ähnliche Erfahrungen gemacht haben.
Wie sieht es bei euch aus? Wie regelt ihr die Betreuungssituation in euren Arbeitstzeiten? Wie nehmen eure Kinder das an? Vermissen eure Kinder das Vollzeitarbeitende Elter genauso wie meine?
Ich bin gespannt auf viele unterschiedliche Familienkonstellationen!
13 Antworten
Schönen guten Morgen!
Wieder mal toll geschrieben.
Ich dachte, in meiner Schwangerschaft ?, ich geh nach einem Jahr wieder voll arbeiten. Pah, das können und konnten andere vor mir genauso. Und überhaupt…warum 3 Jahre nehmen? Ist doch langweilig. Ein Jahr reicht…
Ja nun, als unsere Möppi dann nun da war, quasi seit dem 1. Tag, hab ich anders gedacht.
Nun ist es nicht nur so, das ich meinen Zwerg über alles liebe, die Zeit viel zu schnell vergeht, sie unheimlich viel unheimlich schnell lernt, ich jeden Augenblick(auch die negativen) komplett genieße….es ist ebenso das sie mich sehr braucht. Nicht ohne mich Schlafen kann. In Zeiten von Schüben, Zähnen usw nicht mal ohne Körperkontakt schläft. Mein Mann kann sie zwar in den Schlaf tragen, aber sobald sie wach wird ist trösten nur mit Mama und von Mama genehmigt. Genauso wie das wieder Ein- und Weiterschlafen.
Somit hab ich von Anfang alles überdacht und versucht soweit an uns anzupassen wie eben möglich. Ich werde nicht Voll arbeiten. Kann ich nicht und will ich auch nicht. Wir werden uns damit abfinden, weniger in der Tasche zu haben. Wir können alles zahlen, aber eben extra Dinge werden kaum möglich sein. Es ist eben so.
Meine Zwucki wird und die Krippe gehen. Halbtags von 8 bis Mittags. Und das nur nach einer Eingewöhnung die zu uns passt. Ich werde nur die Wochenenden arbeiten hauptberuflich. Somit kann ich die sanfte Eingewöhnung möglich machen. Wird es so sein, das sie nich Zeit braucht, wird sie zu Hause bleiben. Ich werde mir noch einen Minijob suchen um etwas bei zusteuern. So der Plan.
Mal sehen was die Zukunft bringt und ob es so wird wie geplant oder vielleicht doch ganz anders?
Ach du hast leider so recht. wir zweifeln auch immer wieder an diesem System und fragen uns: Muss das so sein? …
Ja, Du hast sehr recht: es ist irre schwer. Die Arbeit ist wichtig und hält uns alle am Leben, aber die Familie tut das auch!Trotzdem habe ich gemerkt, daß man immer noch seine Prioritäten überdenken kann: wenn meine Kinder krank sind, bleibe ich zu Hause. Sage Termine ab. Versuche home office zu machen. Mein Sohn hat mal über seinen Papa gesagt: „Wenn ich groß bin, mach ich eine andere Arbeit als der Papa, ich will nämlich Zeit für meine Kinder haben“. Und da hat er recht!
Vor allem hast Du so gut beschrieben, welches Bild wir unseren Kindern von der Arbeit vermitteln: ist sie wirklich immer wichtiger? Alles wird mit der Arbeit entschuldigt, aber ist das immer so?
Wenn meine Kinder beim Papa anrufen, daß sie ihn sehen wollen, sagt der: geht nicht, ich muß arbeiten. Witzbold, denke ich dann, ich doch auch (Vollzeit!) trotzdem sind die Kinder 12 Tage bei mir und 2 Tage bei ihm: finde den Fehler. Ich organisier mich halt um die Kinder drumherum, der Ex organisiert die Kinder um seine Arbeit drumherum.
Das ist der Unterschied.
Ich möchte meinen Kindern nicht vermitteln, daß sie maximal 2. Priorität in meinem Leben sind. Das müssen auch Arbeitgeber, Geschäftspartner und Kunden verstehen lernen. Wir müssen uns dem System nicht ergeben, wir können und müssen es immer wieder anprangern und laut sagen, daß wir Familie haben und Zeit mit ihr verbringen wollen.
Liebe Kathrin,
so wahr alles. Ich muss zugeben, dass Arbeit für mich eine willkommene Abwechslung ist. Aber wenn ich nicht arbeite, finde ich auch, dass alle Zusammensein sollen. Dieses ständige Vertrösten ist ätzend und Stress für alle. Und es ist auch kein Wert an sich, das Lernen zu müssen. Ich möchte, dass Betreuung so ist wie bei uns: dann wenn die Kinder so weit sind und es wollen und genießen. Maple hatte beim Start mit der Tamu, mit 2, 1:1 Betteuung, liebt Karin (Tamu) bis heute abgöttisch. Tränen gehören in keine Fremdbetreuung, außer wie jetzt, wenn ich Maple vom Kindergarten abhole und sie immer noch nicht gegen will. So wie jetzt, wo sie jeden Tag fragt, ob morgen wieder Kindergarten ist. Wo sie sich mit anderen Kindern noch für nach dem Kindergarten verabredet zu Hause oder draußen. Wo Coco morgens direkt in die Gruppe ihrer Schwester reinmaschiert und nicht wieder rauswill. Oder, seit neuestem, denn diese Woche hatte sie den Eingewöhnungsstart bei Karin, dort reinkommt, Mütze aus, Schuhe aus, Jacke aufmacht, in Karins Küche marschiert und fordert: „Essen!“ nach dem Frühstück und Kinderzimmer läuft und die Ansage macht: „Pielen!“ Solche Betreuung, ja gerne. Aber nicht um den ewig an Platz 1 tangierenden Job zu ermöglichen.
Ich hatte Deine Gedanken auch schon oft. Eigentlich gehört Karl nach Hause. Da findet Familie statt. Das IST ein Systemfehler. Die Zeit des Kleinkindseins und Babyseins ist begrenzt. Das bleibt ja nicht ein ganzes Erwerbsleben so. Diejenigen, die Kinder bekommen, leisten einen Beitrag zum Solidarsystem. Es sind die Rentenzahler von morgen. Das darf ruhig Gewichtung finden für meinen Geschmack von Gerechtigkeit. Für mehr Elternzeit und Elterngeld für alle Eltern!
Danke für den tollen Beitrag!
Liebe Grüße
Mo
Nachtrag: Der Ex-Arbeitgeber meines Mannes sagte mal: „Familie geht immer vor. Denn auf der Arbeit bist Du ersetzbar, zu Hause nicht.“
Das ist sehr wahr, aber leider galt seine Aussage nur für eine bestimmte Zeit einer absoluten Notsituation. Danach sollte er alles wiedergutmachen und beweisen, dass er alles doppelt und dreifach zurückzahlen kann. Und wurde schließlich rausgemobbt.
Meine Liebe,
ich muss ehrlich sagen, ich finde diese Aufteilung, die ja sehr viele Familien mit kleinen Kindern haben (Papa Vollzeit weg, Mama Vollzeit zuhause) grundsätzlich weder gesund noch befriedigend. Für mich war das nie was, ich wäre kaputt gegangen und auch aggressiv auf den abwesenden Papa geworden. Und für den Partner ist das in meinen Augen auch kein gutes Signal, die „Kinderarbeit“ komplett allein zu übernehmen, Wir arbeiten beide Teilzeit, mein Mann zwar mehr als ich, dafür betreue ich nachmittags die Kinder, aber es ist klar, dass meine Arbeit genauso viel zählt wie seine. Krankheiten der Kinder teilen wir uns gerecht auf, jeder bleibt halbe-halbe zuhause, und er holt die Kinder 1-2 Nachmittage in der Woche von der Kita ab (und bringt sie jeden Tag). Er nimmt keine Abend- oder Wochenendveranstaltungen wahr und das wird auch akzeptiert. Dienstreisen sind nicht nötig. Jeder von uns hat einen freien Tag in der Woche, der immens wichtig für die Regeneration ist. Insgesamt sind wir damit sehr zufrieden. Ich selbst würde gern noch etwas weniger oder mal im HomeOffice arbeiten, was leider nicht möglich ist. Leider merken wir gerade, je größer die Kinder werden, dass das Geld knapper wird, so dass wir wohl nochmal an unserem System nachjustieren müssen. Aber die Kinder werden ja auch älter und selbstständiger und in ein paar Jahren werden sie allein von der Schule nach Hause gehen, so dass ich dann vielleicht länger arbeiten kann. Unsere Kinder sind täglich 7 1/2 Std. in der Kita. Dort vor Ort fühlen sie sich wohl, die Trennung allerdings fällt ihnen täglich schwer, auch nach 4 Jahren noch (Großer). Er wäre auch am liebsten mit uns zuhause. Aber ich nicht, und mein Mann auch nicht, deshalb ist das einfach keine Option und war es auch nie. Ich will den Kindern auch zeigen, dass wir (meist) gern auf Arbeit gehen und das wichtig für uns ist.
Übrigens haben wir nicht das Thema wie bei euch, dass am Wochenende alle Wutanfälle unterdrückt werden, weil der geliebte Papa da ist. Das war noch nie der Fall. Es gab eine Zeit, da haben die Kinder nach der Kita bei mir nur rumgezickt und wenn der Papa sie abholte, waren sie ganz ruhig und angepasst. Das ist aber längst vorbei. Emotionen – gute wie schlechte – kriegen wir beide gleich ab.
Also, man traut es sich ja kaum zu sagen, aber mit unserem System von Vereinbarung, Arbeit, Kinderbetreuung sind wir eigentlich ganz zufrieden. Mir persönlich fehlt noch mehr Freizeit und Freiheit ;-), Entlastung am Wochenende und dass entweder ich mal allein wegfahren kann oder mein Mann mit den Kindern wegfährt, was er nicht tut. Da wir keinerlei Familie hier, keinen Babysitter etc. haben, müssen wir allein klarkommen und uns gegenseitig Termine ermöglichen etc. Das einzige, was wirklich ganz schwierig ist, ist, wenn wir beide gleichzeitig krank sind, was letzten Winter leider oft der Fall war. Dann wackelt das System gewaltig, denn niemand unterstützt uns. Ansonsten läuft das ganz gut. Wir haben andere Baustellen…;-)
Liebe Grüße!
Und wieder bin ich voll und ganz bei dir!!! Weil es eben so sein muss…. Ach, man….wenn doch nur mehr Menschen laut zweifeln würden…
Ich arbeite gern. Und für unseren Lebensunterhalt. Das unseren Kindern zu vermitteln halte ich nicht für falsch. Erwerbsarbeit ist nicht der Feind und für sich und andere sorgen können – emotional und finanziell – ist etwas Schönes, das auch meine Kinder irgendwann tun können sollen. Unser Leben ist ein balancieren zwischen den Bedürfnissen von fünf vetschiedenen Menschen und ihren Pflichten. Das ist anstrengend, aber ich kann daran nichts schlechtes finden.
Finde ich einen sehr guten Kommentar! Ich selbst arbeite auch gerne und meine Arbeit würde es im Zweifel auch ermöglichen, dass mein Mann etwas weniger arbeitet. Ich fände es super, wenn mehr Eltern gemeinsam Teilzeit arbeiten könnten und Politik und Arbeitgeber das besser möglich machen würden. Ein Alleinverdienermodell wird m.E. schnell unbefriedigend. Außer der Alleinverdiener ist Lehrer und hat Mega viel Freizeit oder so. ?
Ich finde deinen Artikel toll und er spricht mir aus dem Herzen, deswegen würde ich gerne erzählen wie wir es machen.
Meine große ist 2,5jahre alt und das erste lebensjahr war klassisch: Ich war zuhause und mein Mann arbeiten. Obwohl er keinen mega job hat, aber eine fahrtzeit von 1h pro Strecke, war er auch gefühlt nur am Wochenende da! Bei einer Arbeitszeiten von 8-17uhr war er ja von 7-18uhr aus dem Haus – nicht viel mit Familienleben! Wir haben auch keine Familie (Großeltern etc) in der nähe, so dass ich alles mit der kleinen zusammen gemacht hab, musste mit zu ärzten etc..
Ich fand es schrecklich und er auch. Einen abend sagte er “ die Zeit gibt mir niemand wieder!“ Und so ist es…
Nun bin ich grundschullehrerin und wir planten dass ich nach einem Jahr 100% arbeite und er 50% macht, so musste er nur 2tage arbeiten fahren und ich war 3nachmittage die Woche da, die kleine musste nur für 2vormittage (8std/woche) zur tagesmutter. An sich keine schlechte lösung, minimal fremd betreut und ein vokles und ein halbes einkommen! Aber ich hatte zu knapsen: So viel arbeiten! Von 100% mama- tochter auf 100% arbeiten! Schrecklich!!!
Dann wurde ich schwanger mit nr2 und durfte auch schnell nicht mehr arbeiten, also waren wir auf einmal richtig viel zu dritt – weil mein Mann trotzdem bei 50% blieb.
Toll! Nun war die Überlegung wie es nach der Geburt weitergehen sollte… Und wir blieben dabei, durch meine vollzeittätigkeit (die an sich ja fix zu ende war) bekommen wir recht viel elterngeld. Mein Mann macht 50% und beide Kids sind zuhause.
Mein fazit: Es ist toll, dass wir so viel Zeit zu viert haben! Mein Mann sieht beide aufwachsen und ich habe unterstützung.
Aber! Es ist auch wirklich eine finanzielle rechnerei! 67% und 50% einkommen – über ein Jahr = ok ! Aber danach???? Wir wissen noch nicht wie es weiter geht!
Und ein ganz anderes aber: Das was du beschreibst, dass die Kinder so auf dich fixiert sind gibt es hier ja nicht so oft und irgendwie ist das trotzdem ein Problem! Denn an 5tagen die Woche können immer 2 für 2 Kinder da sein, aber an 2 tagen die Woche eben nicht und das ist schwer für die beiden! Und ich bin“die doofe“ die an den Tagen immer vertröstet, „warte/gleich“ – fällt mir auch nicht so leicht!!!
Es hat alles seine vor- und nachteile und ich würde es immer wieder so machen! Was sind denn schon 3/4/5jahre im leben mit wenig einkommen? Die Kinder sind nur einmal so klein und nachher kommt doch viel mehr Zeit zum arbeiten, wenn sie in der schule sind oder sich verabreden oder zum Verein gehen!
Jetzt ist es ganz schön lange geworden! Aber ich kann jeder Familie nur mut machen es zu wagen!
Liebe Grüße
Julia
Bei uns ist die Situation anders: Kind, 3,5 Jahre. Papa und ich arbeiten beide 20-30 Stunden – da wir inzwischen getrennt sind, hat jeder das Kind zu ca. 50%, auch innerhalb der Woche. Das heißt, jede/r kann sich zu 50% der Woche sehr ausgiebig der Arbeit widmen, die anderen 50% sind dann eher kindbestimmt.
Aus den von dir beschriebenen Gründen finde ich das auch sehr wichtig, die Papa-Kind-Bindung ist hervorragend. Bei mir kommt noch dazu, dass ich niemals ein Kind bekommen hätte, wenn ich nicht schnell und existenzsichernd wieder hätte arbeiten können – das ist mir einfach sehr wichtig, dieses existenzsichernde, und Arbeit macht mir Spaß. Dass das mit Kind nicht gut geht, wenn der Partner Vollzeit plus arbeitet, ist klar – aber das ist ja auch nicht unbedingt nötig, wenn ich selber genug verdiene. Praktischerweise habe ich bisher immer Partner gehabt, die Teilzeit das einzig Wahre finden und die das im Beruf auch durchgezogen haben, selbst ohne Kind.
Das System hinterfragt ihr nicht allein. Seit ein paar Wochen macht der Mann einfach mal Homeoffice (er ist selbstständig)oder einfach mal nichts im Sinne von Arbeit. Eben genau aus dem von dir beschriebenen Grund. Wir verzichten dieses Jahr auf einen ausgedehnten Urlaub und haben uns zu Hause einfach mal wohl gefühlt. Zusammen. Alle Mann. Nicht nur die Kinder haben das genossen. Auch ich. (Eine Zeitlang war es so, dass ich immer froh war, wenn der Mann aus dem Haus war, weil er den Ablauf durcheinander brachte. Aber das lag nur am ungeübten gemeinsamen Alltag. Jetzt haben wir in den paar Wochen einen gemeinsamen Alltag entwickelt und es ist wirklich toll. Leider hört das jetzt auch schon wieder auf. Ewig reicht das Geld ja nicht. Aber schade. Früher oder auch noch in anderen Ländern sind die Kinder einfach immer mit beiden Elternteilen zusammen. Auf dem Feld, in der Werkstatt. In unserer heutigen Zeit und Gesellschaft undenkbar. Es kommt nur noch auf Effizienz an. Die Arbeit der Eltern ist für Kinder ein abstraktes ausgelagertes Ding.
Hier jubeln stets alle Kinder auf, wenn der Papa aus dem Büro nach Hause kommt. Und auf dem Hintergrund, dass 2 Jährige noch kein Zeitempfinden haben….die Jüngste jubelt auch, wenn der Papa nach 5 Minuten was-im-Auto-kramen, wieder zur Haustür rein kommt. Dann ruft sie begeistert: Juhu, Papa is widda daaaa! (Als wäre er ewig weg gewesen). 🙂
Ich durfte in Indien am Land eine Familie erleben, wo tatsächlich fast alle fast immer da waren. Mama, Papa, Geschwister, Großeltern. Natürlich wurde da auch gearbeitet, am Feld, in der Plantage, zu Hause. Deswegen mussten sich die Kinder viel selbst beschäftigen, die älteren Kinder bekamen die Kleinen ungebunden, damit die Mutter die Hände frei hatte. Oft wurde auch „geholfen“ und später nach der Schule mitgearbeitet. Aber sie waren immer von Familie umgeben. Und hörten trotzdem oft „jetzt nicht, ich muss arbeiten.“
Leider ist es des Menschen Joch, dass er nicht einfach leben kann.
Danke dir für den Artikel, vor allem die Müdigkeit des Papas hat mich sehr berührt. Auch bei uns gibt es einen müden Papa, was die müde Mama manchmal übersieht. 🙁