Filterbubble vs. Realität

Wenn man so wie ich sehr viel Zeit im Internet verbringt und dort auch viele Bekanntschaften und ja, auch Freundschaften pflegt, dann wirkt die eigene „Filterbubble“ wie die eigene Realität. Die Filterbubble, das ist deine Blase aus Menschen, Blogs, Websites, Foren, Facebook-Gruppen, Twitter-Listen und Communities, in der du dich – meist mit einem oder mehreren bestimmten Themen – aufhältst. Facebook und Google sind clevere Maschinen, die deine Bewegungen im Netz tracken und dir so auf sehr clevere, ausgetüftelte Art und Weise immer wieder nur solche Themen in deinen Newsfeed oder als Anzeige (Facebook ist darin sehr sehr gut) in deine Timeline spülen, von denen sie gelernt haben, dass sie dich interessieren, du also Seiten mit ebendiesem Thema häufig oder bevorzugt besuchst. Das hat natürlich viele Vorteile für die Wirtschaftsunternehmen Google, Facebook, Twitter & Co., denn klickst du die Werbung dann tatsächlich an oder folgst einem empfohlenen Link, wird irgendwo jemand ein paar Cents verdienen und das ist auch gar nicht schlimm, schließlich müssen wir alle unsere Miete bezahlen. Und auch ich als Nutzer und Endverbraucher sehe Vorteile, zum Beispiel darin, dass ich keine Werbung von den Steakhäusern der Umgebung oder von der guten R*genwalder Mettwurst in meine Timeline bekomme, genau so wenig rechtspopulistische – wie man heute so schön für das Wort „nazi-“ erfunden hat – Werbung oder ähnliches. Meine Filterbubble besteht zu weiten Teilen aus einem Netzwerk aus Bindungs- und Bedürfnisorientierten Eltern, Veganern, NICHT-AfD-Wählern und an nachhaltigem, ökologischen Lebensstil interessierten Menschen. Klicke ich meine Sozialen Netzwerke an, schwirren da also diese ganzen wunderbaren Öko-Hippie-Themen herum, Foren, Gruppen, abonnierte Blogs handeln genauso davon wie von Attachment Parenting oder unerzogenen Themen.

 

Ich mag meine Filterbubble, wie sie ist. Störenfriede kicke ich meist von einer auf die andere Sekunde. Ich weiß, dass ich damit die Probleme unserer Welt nicht besser mache, sondern einfach schlichtweg ignoriere. Manchmal steige ich in eine Diskussion ein, manchmal halte ich meine Meinung zurück. Die Gründe, die darüber entscheiden, wann ich das eine und wann das andere tue, sind unterschiedlich. Letztendlich ist mir aber klar: in dieser meiner Filterbubble wird mir das verziehen, ist die Welt noch in Ordnung, da muss ich keinen retten.

 

Und dann plötzlich mache ich einen Schritt nach links oder rechts raus aus der Filterbubble und stehe vor der knallharten Realität.

 

Eine beispielhafte Liste fängt dabei an, dass ich mich von morgens bis abends mit Veganern auf Instagram und Facebook austausche, welche Rezepte die besten sind, Produktempfehlungen bekomme und verteile und diese Form der Ernährungsweise so selbstverständlich ist, wie das Ein- und Ausatmen und dann am Wochenende auf eine Hochzeit eingeladen bin, bei der wir uns riesig über das vegane Angebot freuen und völlig aus dem Häuschen sind, aber schon bei der ersten Vorspeise Rede und Antwort auf die klassischen Fragen omnivor lebender Menschen stehen müssen. Was erst einmal natürlich in Ordnung ist, aber einfach lästig wird, wenn dir Kinderlose dann von gesunder Ernährung für Kinder anfangen, die natürlicherweise Fleisch enthalten müsse. Und sie selbst essen auch wenig Fleisch, aber….

Es geht weiter bei der Tatsache, dass wir auf dieser Feier die einzigen mit einem Baby im Tragetuch sind und das, obwohl sich meine halbe Twitter-Timeline tagein, tagaus über das Tragen und Tragetücher berät. Auch, dass plötzlich mein Bedürfnis, mich mit D-Von zum Stillen zurückzuziehen wieder sehr laut wird und das, obwohl ich dieses Gefühl, mich verstecken zu müssen, doch eigentlich abgelegt hatte, eben WEIL in meiner Filterbubble langzeitstillen eine Selbstverständlichkeit ist.

Und dass ich jedes Mal erschrecke, wenn ich Zeuge bin – besser gesagt sein muss – wenn in der realen Welt da draußen, vor den Schranken meiner Filterbubble, Kinder angepasst sein müssen, um ihren Eltern zu gefallen, Kinder funktionieren müssen, um nicht wieder gemaßregelt zu werden, Kinder sich stundenlang eher mit Schnuller und Kuscheltier im Buggy anschnallen und ihre Unsicherheit ob einer neuen, fremden Umgebung, darüber kompensieren, als sicher gebunden in der Nähe ihrer Eltern durch diese Situation getragen zu werden.

Bedürfnisorientierung heißt, sich an Bedürfnissen zu orientieren. Ich verstehe: an den Bedürfnissen aller Beteiligten einer Interessensgemeinschaft, wie einer Familie, zum Beispiel.

Bindungsorientierung heißt, sich an Bindung zu orientieren. Bindung, die im Vordergrund steht, auf die alles andere aufbaut. Ich verstehe: die Bindung zwischen Eltern und Kindern. Bonding das zu Bindung das zu Vertrauen das zu Beziehung wird. Und aus dem Kinder kräftig, gestärkt und sicher herauswachsen dürfen, wann immer sie bereit dazu sind.

Attachment Parenting, bindungsorientierte Elternschaft, heißt also – so wie ich es verstehe, ohne einen Ratgeber nach dem anderen gelesen zu haben – genau diese oben beschriebenen Punkte.

In meiner Filterbubble werden die Leser nun nicken, zustimmen und nicht verstehen worauf ich hinaus will. Außerhalb meiner Filterbubble, würde ich diesen Text Eltern vorlesen, die ihre Kinder erziehen und Angst vor Glucken-Dasein und Verwöhnen haben, würde ich gefragt, wie meine sensiblen, überbehüteten, verzogenen Kinder denn jemals in der „realen Welt da draußen“ zurecht kommen wollen.

Auch mein Gegenüber hat seine Filterbubble.

Auch mein Gegenüber hat seine Realität, in der es vielleicht von größerer Bedeutung ist, das Kind durch Erziehung und gezielte Anpassung „auf das Leben vorzubereiten“. Für den einen scheint die Welt außerhalb der eigenen Blase irgendwie härter, als für den anderen. Komisch, ich habe selten das Bedürfnis, meine Kinder auf die „harte Welt“ vorzubereiten und wenn, dann sicher nicht damit, sie möglichst schnell von mir zu lösen, auf die eigenen Beine zu stellen und loslaufen zu lassen. Schließlich „müssen sie es ja mal irgendwann lernen“. Alle diese Phrasen machen mich rasend, wenn ich in dieser Realität zu Gast bin und Kindern in Buggys mit Schnullern und Kuscheltieren dabei zuhören muss, wie sie sich in den Schlaf brüllen, während ein stoisch den Wagen-schiebendes Elter der Meinung ist, dem Kind gerade Schlafen beizubringen. Ich bin kurz davor rüber zu gehen, mein Tuch zu leihen und kurz den Unterschied zwischen einem tief verankerten, NATÜRLICHEN Bedürfnis des Kindes nach Nähe und der angeblichen „Tyrannei“ zu erklären, denn während er oder sie meint, eine Lektion erteilen zu müssen, bin ich schockiert darüber, wie wenig bindungsorientiert diese Welt doch noch ist.

Ich verspüre Filterbubble-Sehnsucht, krieche zurück in meine Internet-Welt, in der ich mich wieder tausende von Wörtern lang mit euch über eine liebevolle, geborgene Elternschaft austauschen darf, in der Friede Freude Ei-Ersatz-Kuchen herrscht und in der ich auf Instagram wieder getragene Kinder sehe, dessen Gesicht man wenn überhaupt nur dann nicht erkennen kann, weil Eltern ihre Privatsphäre schützen und nicht, weil ein Schnuller in Größe 2 das halbe Gesicht verdeckt.

 

Mehr Schnuller als Kind. Quelle: pixabay.de

Mehr Schnuller als Kind. Quelle: pixabay.de

 

Ich klicke mich so durch und fühle mich frei, sehr viel freier als links und rechts des Weges. Meine Filterbubble ist glücklicherweise ein großes Stück Realität geworden. Meine Freunde, zumindest die, die auch Kinder haben, tragen, stillen oder verstehen zumindest, wieso wir das tun, wieso wir mit unseren Kindern in einem Bett schlafen und wieso es in der Ernährung keine Kompromisse gibt. Das ist schön und fühlt sich gut an, war aber auch jahrelange Arbeit. Ich esse seit 15 Jahren kein Fleisch mehr und bin erst jetzt an einem Punkt, an dem ich das nicht mehr regelmäßig erläutern muss. Mal sehen wie alt meine Kinder werden, wie lange wir diese Form der Elternschaft erst durchziehen müssen, bis es uns nicht mehr verletzt, wenn andere uns als Rabeneltern hinstellen, weil wir unsere Kinder verwöhnen und an uns binden.

Ich mag meine Filterbubble wie sie ist. Sie schützt und stärkt mich vor der Realität.

Tut sie das wirklich oder ist es nur eine Frage der Zeit, bis der nächste Ausflug kommt, bis ich wieder einer Situation beiwohne, die so falsch, so schwer mit anzusehen, so verletzend für das andere Kind und für mich und meine Filterbubble ist, die sich so viel Mühe geben, das Gegenteil zu predigen?

Mann Leute – wo ist eigentlich euer Problem? Was wollt ihr eigentlich von euren Kindern? Wem sollen sie, wem wollt ihr eigentlich gefallen?

Ich weiß ich weiß… wir alle sind selbst erzogen worden und diese Muster sitzen tief. Ich wäre dumm zu behaupten, ich selbst könne mich von dem lösen, was mal so an mir rum- und ich mich rein-erzogen wurde. Ist doch keine Frage. Aber bewegt IHR autoritär Erziehenden euch doch auch mal links und rechts NEBEN eure Blase, macht einen Ausflug in meine Welt, in meine bindungsorientierte Filterbubble-Welt mit lauter ganz wunderbaren Menschen, Eltern, Blogs und Websites, die sicherlich alle überhaupt kein Interesse haben, euch oder eure Kinder zu ärgern oder ihre Kinder nicht auch auf „die Welt da draußen“ vorzubereiten. Aber die Welt da draußen, das werden eines Tages unsere Kinder sein. Diese Welt da draußen wird eines Tages unseren Kindern gehören. Wo ist der Anspruch an euch, eure Welt und die Welt für eure Kinder, wenn euer einziger Auftrag ist, sie abzuhärten? In eine solche Welt wollt ihr wirklich eure Kinder entlassen?

Vielleicht klicke ich in den nächsten Wochen also doch nicht mehr so schnell weg, wenn in meine Blase ein „Störenfried“ eintritt, wenn sich eine Diskussion eröffnet, die mich triggert und wütend macht und der ich lieber aus dem Weg gehe, weil ich die Aussagen nicht mehr hören kann. Vielleicht mische ich mich also nun doch wieder etwas häufiger unter das Volk und trage ungefragt meine Meinung in die Welt in der Hoffnung, dass WIRKLICH ENDLICH Eltern aufhören, ihre Kinder minutenlang vor sich hin brüllen zu lassen, an andere abzugeben, weil sie unbequem sind oder ständig zu reglementieren, nur damit man am Ende eines Tages hört, wie „Toll der Kleine hört“ toll das Kind funktioniert und sich anpasst.

Und vielleicht stehe ich beim nächsten Mal einfach wirklich auf und biete mein Tragetuch an. Biete einen Versuch an. Eine Hilfe, Umdenken zuzulassen.

Wenn ich doch nur nicht so angepasst wäre, meinen Mund zu halten, wenn ich nicht gefragt werde.

 

 

 

54 Antworten

  1. Hej und Hallo,

    Ich bin ganz groß begeisterte Leserin deiner Seite, ich stimme dir in ganz vielen Dingen zu, und finde mich auch wieder in vielen deiner beschriebenen Situationen (Baby vegan ernähren – OH MEIN GOTT wie kannst du nur?!) aber ich hoffe doch, dass ich unserem Lütten jetzt nicht die ganze Zukunft versaue, nur weil er ab und an einen Schnuller bekommt 😉
    Verstehe mich nicht falsch, ich bin große Fanin von bindungsorientierter Lebensweise und versuche mich da auch jeden Tag neu zu entdecken und zu entwickeln, aber gerade als Neuling ist das nicht immer so einfach.
    Aber gerade darin unterstützt mich u.a. dein Blog sehr großartig, vielen Dank dafür!

    Viele liebe Grüße
    Lea mit Jakob Love

    • Liebe Lea,
      erstmal vielen lieben Dank für die Blumen 🙂
      Ich hab beim schreiben schon gewusst, dass das Kontroversen auslöst, aber: D-Von schnullert. Er hat von Anfang an das Einschlafstillen gehasst wie die Pest. Er bekommt das meinerseits verhasste Plastikding zum EINschlafen, es wird gezogen wenn er tief schläft, so, wie ich auch die Brust lösen würde um aufstehen zu können. Auch wenn ich persönlich niemandem jemals zum Schnuller raten würde, habe ich es bei meinem Kind zugelassen um ein Bedürfnis zu stillen: das SAUGbedürfnis, nicht das NÄHEbedürfnis. Was ich wie die Pest hasse, ist ein weinendes Kind im Kinderwagen oder so, dem der Schnuller gegeben wird ANSTATT Nähe. Der Schnuller kann niemals das Nähebedürfnis zu den Eltern befriedigen. Nie. Und das meinte ich auch im Text. Denn auch ich bin der festen Überzeugung, dass du deinem Kind nun nicht die Zukunft versaut hast 😀
      Liebe Grüße,
      Kathrin

      • Hej Kathrin,

        na klaro, Kontroversen sind ja auch völlig in Ordnung. Ich habe es jetzt auch ein wenig überspitzt dargestellt. Ich kann die Situation, die du beschreibst, auch einfach nicht nachvollziehen und finde es ganz, ganz grausig, gar keine Frage. Da stimme ich völlig mit dir überein.

        Hab noch einen ganz feinen Abend
        LG, Lea

  2. Ich finde ja, man wird durch die Filterbubble auch ein Stück toleranter. ? Ich bin weder Langzeitstillende, Tragemama noch Veganer. Ich mach mein Ding und andere ihres. Und das ist für mich ok so. Und oft hat man auch keinen Einfluss. Beide Kinder mochten keine Trage und brüllten und schwitzen um die Wette. Der zweite Sohn trägt Schnuller. Alternative wäre Dauernuckeln an der Brust gewesen. ? Aber auch das ist in meinen Augen bedürfnisorientiert. Also bitte nich die Schnulli-Buggy-Mamis verurteilen ✌ Peace

    • Tue ich nicht, wie ich im letzten Kommentar schrieb habe ich gegen einen sinnvollen und vorsichtigen Einsatz des Schnullers überhaupt nichts! Ich verurteile eh keinen, sondern würde mir wünschen, andere Ansätze zu probieren, statt alteingesessene Methoden durchzuziehen, die nichts bringen als schlechte Gefühle! Ich verurteile wenn überhaupt Eltern, die ihre Kinder fixiert im Kinderwagen oder Buggy Brüllen lassen, anstatt sie auf dem Arm zu nehmen und nein, diese Situation war keine dieser „naja du weißt ja nicht was die Mutter den ganzen Tag über für einen Stress hatte“-Dinger.
      Brüllen lassen „weil man das eben so macht“ und „es kann ja den Schnuller nehmen um sich zu beruhigen“, das verurteile ich. Buggys und Schnuller nicht per se 😉

  3. Ganz toll geschrieben! Danke 🙂
    Hast du DIR schon einmal Gedanken gemacht…über das was dich am anderen stört bist du selbst?
    Ich mache mir in solchen Situationen tagtäglich Gedanken und komme IMMER, wirklich IMMER wieder zu mir zurück und finde den Fehler an mir!
    Im Netz suchen wir Gleichegsinnte. Doch das was in uns steckt, das geheilt werden sollte, finden wir in der Aussenwelt. Eben bei einer Hochzeit 🙂

    Alles Liebe
    Irene

    • Liebe Irene,
      vielen Dank für deinen Kommentar 🙂
      Ja. Darüber mache ich mir häufig Gedanken, sofern ich es emotional zulassen kann. Manchmal dauert es ein paar Tage. Hier ist es sehr eindeutig denke ich. Schreien lassen, Kinder die sich in den Schlaf weinen, die nicht getröstet werden. Das lässt mich fürchterlich hoch gehen. Und dass das in der eigenen Kindheit begründet liegt, ist mittlerweile kein Geheimnis mehr für mich.
      Viele Grüße,
      Kathrin

      • Liebe Kathrin, danke für deine Antwort! Ja das sind oft tiefe seelische Schmerzen die dann plötzlich hervorkommen.

        Unsere jüngste Tochter ist nun 15 Monate und mag nicht getragen werden, mag nicht im Kinderwagen sitzen, mag nicht Autofahren…mag absolut nichts was länger als 15 Minuten dauert. Ich habe den tiefen Grund noch nicht bei mir entdeckt. Ich würde so gerne wandern gehen oder einmal auch mit dem Kinderwagen spazieren….keine Chance. Somit sitzen wir zu Hause Tag ein Tag aus herum und warten…….bzw. ich warte!
        Was mir DAS aufzeigen möchte, ist mir noch unklar…

        Alles Liebe
        Irene

        • Ob es wirklich IMMER etwas mit einem selbst zu tun hat, weiß ich nicht. Würde ich zu bezweifeln wagen 😉 Aber bitte, gib in der suche hier auf der Seite (mobil: runter scrollen, Desktop: Sidebar links) mal Hochsensibilität ein. Vielleicht verschafft dir das neue Erkenntnisse über dein Kind. Ich drücke dir die Daumen!
          Alles Liebe!

  4. Hallo Kathrin,
    ich bin heute das erste Mal zufällig auf deine Seite gekommen und dachte, dass dich vielleicht auch ein eher kritisches Kommentar auf dein Text interessieren würde. Was mir an Foren etc. generell misfällt ist, dass Mamas, die andere Sichtweisen haben, sehr schnell angefeindet werden. Aber ehrlich, wollen nicht alle jungen Mamas das Beste für ihr Baby? Zum Beispiel ist eine Mama, die ihr Kind beim Schlafen mal weinen lässt, m.E. keine Rabenmutter. Sie hat die Absicht das Beste für ihr Kind zu tun weil sie bspw. der Meinung ist, damit dem Kind beim Schlafen lernen zu helfen. Gibt es immerhin genug professionelle Experten, die das raten. Sie macht es nicht, weil Sie zu faul ist aufzustehen. Nur so, ich hab mein Baby auch nie groß weinen lassen, aber das war halt weil ich es als Person nicht konnte.
    Mich wundert etwas, dass du das „angepasst“ so sehr verurteilst. Ich bin gerade mitten dabei mein Kind „anzupassen“, da er bald voll in die Krippe geht und es dort einen strukturierten Tagesablauf gibt! So ist halt die Realität. Kann man nicht ändern. Und dann mach ich das lieber gemächlich, als dass der Kleine in der Krippe nun gar nicht zurecht kommt und Mama auch noch weit weg ist. Also passen wir unseren Tagesablauf an und hoffen, dass sich unser Baby dann auch den Strukturen anpasst und übernimmt, so dass er keine Probleme „in der Realität“ sprich Kinderkrippe hat. Es wird demzufolge zu einer bestimmten Zeit geschlafen, unabhängig ob er spielen möchte oder nicht. Es ist halt Zeit zum Nachmittagsschlaf. Oder das nur während Essenszeiten gegessen wird, oder dass er nicht immer alles haben kann was er möchte, weil andere Personen bzw. Kinder halt auch Bedürfnisse haben.
    Unser Vorgehen find ich weder verwerflich noch denke ich, dass unser Kind Langzeitschäden davon trägt.
    Aber nun hab ich genug geschrieben – ich bin gespannt deine Seite durchzustöbern.
    Grüße,
    Katrin ohne h 🙂

    • Hallo Katrin ohne h 🙂
      Vielen Dank für deinen Kommentar, den ich gerne etwas ausführlicher beantworten möchte.
      Ich gebe dir Recht, auch ich bin der Meinung, dass jede Mutter erst einmal das Beste für ihr Kind möchte und dies schrieb ich ja so auch in meinem Text. Ich bin aber auch der Meinung, dass Sozialisation, Erziehung, Politik, Gesellschaft und und und es gerade Müttern, die ihr erstes Kind geboren haben, nicht immer ganz so einfach machen. Dann ist die eigene Meinung und das eigene Bauchgefühl getrügt von den Stimmen und Ansichten anderer und es kostet Kraft und Muße, sich davon zu lösen. Vor allem aber muss man das WOLLEN. Man muss sich abheben wollen und das tun, was man eben will und was das Beste für das Kind ist. Dann von den anderen Müttern zu hören, dass es immer noch nicht richtig ist, stört und nervt und ja, auch da gebe ich dir Recht. Doch da gibt es nun mal Dinge, da nervt ein Einmischen von außen eben einfach nur ein bisschen und es gibt Dinge, die schlichtweg an Kindeswohlgefährdung grenzen und bei denen ein sich-Einmischen oder Dagegen-sein nichts mehr mit Nerven oder Mommywars zu tun hat, sondern eben schlichtweg Pflicht ist. In meinen Augen ist das eben nun mal schreien lassen. Wer sein Kind gezielt schreien lässt, es nicht tröstet und das Schreien nicht mit Trost, Geborgenheit, Zuwendung stoppt sondern mit klassischer, anerzogener Vorgehensweise, weil man eben meint, das müsse so, der tut seinem Kind schlicht weh. Die professionellen Experten, die du erwähnst, sind teilweise, wie z. B. Dr. Ferber schon von ihren eigenen Aussagen zurückgetreten, weil die Welle, die sie schlugen zu hoch wurde. Mir geht es nicht um den Schnuller oder um den Buggy, aber da bist du nicht die einzige, die das so verstanden hat. Die Hilfsmittel sind mir per se egal. Aber mir ist nicht egal, wenn ein weinendes, schreiendes Kind keine Zuwendung erfährt. Und als Blogger bezieht man nunmal immer Stellung – so oder so. Das Private ist politisch. Und meine sehr klar definierte Meinung zum Thema schreien lassen ist das auch. Schreien lassen GEHT GAR NICHT. Da gibt es einfach keine Ausrede für. Und auch kein „ich wollte doch nur das Beste“ – ein Kind schreien zu lassen ist nie nie nie nie das Beste!

      Dass meine Einstellung zu Anpassung hoch kritisiert wird, ist mir bereits bekannt. Aber ich denke, es gibt Anpassung und Anpassung. Wenn ich mich in einem sozialen Gefüge aus freien Stücken anpasse und kooperiere – etwa, weil ich erfahre, dass auch meine Mitmenschen kooperieren, Rücksicht auf mich nehmen etc. – dann ist das eine gute Form der Anpassung. So ist es in deiner, meiner, unser aller Familie. Wenn meine Kinder schlafen bin ich leise (angepasst), denn ich möchte sie nicht wecken. Auch wenn ich lieber Musik hören möchte, nehme ich Rücksicht – passe mich an. Meine Kinder merken meine Wertschätzung und kooperieren freiwiliig gern mit, denn so läuft das eben hier in der Familie: alle respektieren sich gegenseitig.
      Eine schlechte Form der Anpassung ist, seine Gefühlswelt und Gedanken so anzupassen, dass sie zu einem großen Gesamtbild der Gesellschaft passen, selbst wenn man sich damit nicht wohl fühlt. Ein müdes Baby, das nicht in den Schlaf findet, schreien zu lassen, weil man der Meinung ist, es müsse sich eben nun mal anpassen, ist eine schlechte Form der Anpassung. Letztendlich lernt das Kind, das seine aktuelle Emotion nicht wichtiger ist, als die Mehrheit. Oder die Meinung seiner Eltern, es müsse eben nun mal jetzt angeschnallt im Buggy schlafen und nicht auf dem Arm kuscheln, weil wegen. Und ja, auch dagegen spreche ich mich deutlich aus.
      Einen Tagesablauf an eine außerfamiliäre Betreuungssituation anzupassen, finde ich dann eine gute Anpassung, wenn es eben für alle okay ist. Dagegen spricht doch gar nichts. Würdest du aber mit aller Macht den Tagesablauf durchdrücken, selbst wenn alle Instinkte deines Kindes dagegen sprächen, würde ich auch dies als negative Anpassung empfinden.

      Ich wünsche euch, dass ihr den richtigen Weg geht und euch damit auch wohl fühlt und dann hast du Recht, dann trägt keiner Langzeitschäden davon.
      Und dass es nicht DEN EINEN richtigen Weg für alle gibt, ist ja ohnehin klar 🙂
      Liebe Grüße,
      Kathrin

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