„Ich bin nicht gestört und nicht Plem Plem!“ – Christine bei #HochsensibleMütter

Heute zu Gast ist Christine, die ihr entweder von ihrem alten Blog Villa Schaukelpferd, besser aber von ihrem neuen Blog Pusteblumen für Mama kennt. Christine ist 32, hat zwei Söhne, die in noch kleinerem Abstand von einander geboren worden als meine 😉 Maxi ist 4, Mini ist 3. Bereits auf dem alten Blog hatte die Hochsensibilität hier und dort einen Platz in ihren Artikeln, auf dem neuen hat sie aber die Richtung klar dorthin gelenkt und schreibt nun als hochsensible Mama für hochsensible Mütter. So auch heute, denn im Interview zu #HochsensibleMütter hat sie mir meine Fragen beantwortet.

 

Vorhang auf für Christine bei #HochsensibleMütter


 

Du bist hochsensibel. Seit wann weißt du davon? Hast du einen Test gemacht und wenn ja welchen? Und woran bemerkst du deine eigene Hochsensibilität am Deutlichsten?

 

Eigentlich war es eher ein Zufall, dass ich über das Thema Hochsensibilität gestolpert bin. Ich sah eine Fernsehsendung im Regionalprogramm und plötzlich dachte ich bei einer Kurzreportage: „Hey, so wie denen geht es mir doch auch ständig!“ Das war im Januar 2014, also erst nach den Geburten meiner Kinder. Ich habe dann einen Online-Test auf der Website „Zart besaitet“ gemacht und festgestellt, dass ich definitiv zu den hochsensiblen Personen zähle. Den Test finde ich übrigens sehr solide, ich habe ihn auch für meine Leserinnen auf meiner eigenen Website verlinkt.

Für mich war das keine Krankheitsdiagnose, da Hochsensitivität ja auch keine Krankheit, sondern ein Wesenszug ist. Es war auch keine ernüchternde Feststellung, sondern vielmehr Erleichterung. Endlich hatte ich eine Erklärung für mein empfindsames, zurückgezogenes oder abwehrendes Verhalten. Ich wusste: Ich bin nicht gestört oder Plemplem, sondern nehme meine Umwelt –genau wie viele andere Menschen mit demselben Phänomen- ungefilterter wahr.

Deutlich ausgeprägt ist bei mir vor allem der Gehörsinn. Laute, knallende Geräusche lassen mich sofort zusammenzucken, aber auch das permanente, rhythmische Getrommel oder Xylophon-Spielen meiner Jungs lässt mich innerhalb von Sekunden an die Decke gehen. Dafür kann ich mich aber auch in überfüllten Cafés mit hohem Lautstärkepegel noch auf meinen Gesprächspartner konzentrieren, was meinem (ebenfalls hochsensiblen) Mann extreme Schwierigkeiten bereitet (weshalb wir beide zusammen dort so gut wie nie gesichtet werden).

Seit den Schwangerschaften reagiere ich auch unheimlich extrem auf Gerüche. Wenn sie angenehm sind, ist das prima, aber wenn z.B. die Friseurin hinten im Personalraum raucht, möchte ich vorne am Liebsten von meinem Stuhl springen und noch mit Folien im Haar Reißaus nehmen.

Gewusel halte ich auch ganz schwer aus. Das ist vor allem mit meinen beiden Kleinkindern sehr oft der Fall, weil sie zwei solche Energiebündel sind und ständig Action wollen. Selbst, wenn einer nur entfernt in meinem Augenwinkel nervös auf dem Stuhl herumrutscht, möchte meine Hochsensibilität immer „Sitz still!“ fauchen (lacht).

Oh, und nicht zu vergessen: Wenn ich hungrig bin, werde ich ganz schnell sehr launisch! Man sollte mir dann ganz schnell ein Käsebrot oder sonst was Herzhaftes reichen, nur zur eigenen Sicherheit!

 

Hochsensible Mütter schwanken, so Brigitte Schorr, eine Expertin auf dem Gebiet, besonders häufig zwischen Langeweile allein mit dem Kind und Überforderung im Alltag, ständig gepaart mit schlechtem Gewissen. Kannst du das bestätigen?

 

Das geht mir in der Tat auch oft so. Ich glaube bei mir ist das deshalb der Fall, weil mir die Kinder als Spiel- und Dialogpartner noch zu jung sind. Richtig erfüllt bin ich, wenn ich mich über tiefgründige Themen unterhalten oder ein Spiel nach Regeln spielen kann. Das wiederum können meine Söhne Altersbedingt noch nicht. Also kommt es schnell zu meiner persönlichen Langeweile, wenn das Spiel aus ihrer Sicht nur daraus besteht, eine Schraube um irgendeinen Faden zu wickeln oder die Tischgespräche sich um die Farben auf der Joghurtpackung drehen.

 

Christine_Pusteblumen4

 

Gleichzeitig überfordert mich der Alltag. Vielleicht zum einen, weil ich mich während der Betreuung nach einem sinnvolleren Ausgleich sehne. Zum anderen, weil ich von meiner Natur aus nicht gut einfach in den Tag hinein leben kann. Alles muss minutiös durchgeplant und –strukturiert sein. Auch da kollidieren meine und die Vorstellungen der Kinder oft.

Das schlechte Gewissen kommt zum Glück nicht mehr so oft vorbei. Aber auch das war ein langer Lernprozess.

 

Als Mutter ist man irgendwie ja auch fremdbestimmt durch das eigene Kind. Empfindest du das auch und wenn ja, an welchem Beispiel besonders? Und wie gehst du damit um?

 

Dir auf diese Frage eine kurze Antwort zu geben, ist für mich fast unmöglich, denn die Fremdbestimmtheit regiert mein Leben durchgehend seit beinahe fünf Jahren. Tatsächlich habe ich ihr ein eigenes Schlagwort auf meinem Blog gewidmet, weil es so viele Beiträge zu diesem Thema gibt.

Besonders stark empfinde ich diese Fremdbestimmtheit, wenn ich einfach mal spontan etwas mit meinem Mann machen möchte: ein Kinobesuch, ein kleiner Spaziergang ums Haus an einem lauen Sommerabend,…). Selbst nicht-spontane Aktionen, wie ein Pärchenurlaub, muss immer mit Dritten (sprich den Großeltern als Babysittern) abgesprochen werden. Jetzt an Weihnachten haben wir unsere Eltern gefragt, ob sie nächstes Jahr im Juni mal für ein paar Tage die Kinder nehmen können, weil wir nach fünf Jahren mal unsere Flitterwochen nachholen wollen. Sechs Monate im Voraus – das ist doch verrückt! Früher hätten sie vielleicht im Nachhinein per Postkarte im Briefkasten erfahren, dass wir zwei Wochen vorher weg waren! In solchen Momenten fühle ich mich tatsächlich wie ein Vogel in einem eingesperrten Käfig, weil ich –im Gegensatz zu früher- für die Realisierung meiner eigenen Bedürfnisse immer um Erlaubnis bitten muss.

 

hochsensiblemuetter

 

Lange Zeit habe ich mit der Fremdbestimmtheit gehadert, versucht, dagegen anzukämpfen. Bis ich verstanden habe, dass sie, solange meine Kinder bei mir leben, immer Teil von mir sein wird. Das zu akzeptieren macht einiges leichter (auch das Wissen, dass es ja im Grunde jeder Mutter so geht). Freunde müssen die Fremdbestimmtheit und ich deswegen nicht werden.

 

Ist deine eigene Mutter oder dein Vater hochsensibel? Erkennst du sie in dir wieder? Was schätzt du an deinem hochsensiblen Elternteil? Und was gar nicht?

 

Eine interessante Frage! Offiziell weiß ich es nicht und sie selber wahrscheinlich genauso wenig. Zumindest haben wir nie darüber geredet. Da ich weiß, dass Hochsensibilität vererbbar ist, habe ich mir darüber aber schon mal Gedanken gemacht. Allerdings fällt es mir sehr schwer, bei Anderen Hochsensibilität festzustellen, weil man eben nicht drinsteckt. Selbst bei meinem ältesten Sohn konnte ich es nicht mit Sicherheit sagen und war froh um die „Diagnose“ des Fachmannes.

Tendenziell würde ich eher meinen Vater als hochsensibel bezeichnen, aber ich entdecke auch in meiner Mutter ab und an Zeichen der Hochsensitivität. Grundsätzlich schätze ich an ihnen, wenn ich so angenommen werde, wie ich bin. Okay, das wünscht sich sicher Jeder von seinen Eltern (lacht).

 

Ist dein Kind hochsensibel? Prallt ihr oft aneinander?

 

Also zumindest bei meinem vierjährigen Maxi ist jetzt Hochsensibilität vermutet worden. Er ist schnell überreizt, benötigt auch viel Zeit zum Rückzug und muss auf anstehende Veränderungen (das können auch Ausflüge, spontane Besuche o.ä. sein) möglichst vorbereitet werden. Allerdings liegt auch hier der Hase im Pfeffer, wenn man ihn zu früh informiert und dann beispielsweise der Ausflug wetterbedingt ausfallen muss oder der Besuch kurzfristig absagt, dann kann es hier einen Tobsuchtsanfall nach dem nächsten geben.

Konfliktpotential ist tatsächlich deutlich mehr vorhanden als bei seinem Bruder, allerdings habe ich auch die Erfahrung gemacht, dass Maxi deutlich entspannter und kooperativer ist, wenn man seinen Bedürfnissen nachgeht, hinspürt, was er wirklich braucht und ihm immer das Gefühl gibt, dass man zumindest versucht, ihn zu verstehen und ihn in seinen Wünschen nicht gänzlich übergeht.

 

Hast du ein normal-sensibles Kind? Und wenn du sowohl als auch hast: welche Unterschiede zwischen den Kindern und zwischen dir und deinem normal sensiblem Kind machen sich besonders oft bemerkbar?

 

Ob unser Mini auch hochsensibel ist, weiß ich nicht. Allerdings ist er wesentlich pflegeleichter, weshalb ich bisher nur selten zu der Annahme tendiert habe. Mini ist vom Temperament her ruhiger und ausgeglichener. Maxi weiß leider oft nicht, wie er sein Bedürfnis nach Ruhe einordnen soll und dreht dann meist erst richtig auf, anstatt sich zurückzuziehen. Ich tendiere schon dazu, bei Maxi immer besonders meine Antennen auszufahren und ihn mehr wie ein rohes Ei zu behandeln, aber da schwingt wahrscheinlich auch noch meine Vergangenheit (Stichwort postnatale Depression) mit. Ich versuche aber auch, mir immer wieder bewusst zu machen, mit beiden gleich einfühlsam umzugehen.

 

Welches Kind empfindest du als pflegeleichter?

 

Womit die Frage schon beantwortet wäre 😉

Ergänzend dazu kann ich aber noch sagen, dass auch Maxi wesentlich pflegeleichter ist, wenn er alleine ohne seinen Bruder zu betreuen ist. Die volle, alleinige Aufmerksamkeit von nur einem Erwachsenen tut ihm gut.

 

Stressabbau und Selbstregulationsmechanismen: Würdest du sagen, du lebst gut mit deiner Hochsensibilität? Welchen Strategien hast du, um dich selbst zu beruhigen und deinen inneren Stress abzubauen?

 

Ja, grundsätzlich lebe ich schon gut mit meiner Hochsensibilität! Für mich ist es kein Problem, weniger auszuhalten als Andere oder nicht gerne auf menschenüberfüllte Massenveranstaltungen zu gehen. Das habe ich früher schon nicht gerne gemacht. Heute habe ich wenigstens eine Ausrede dafür (lacht).

Naja, Wege zum Stressabbau zu finden ist ja eine sehr individuelle Sache. Das hat schon seine Zeit gebraucht, bis ich die wirksamsten Methoden für mich gefunden habe. Mir hilft in akuten Stresssituationen vor allem, meinen Atem bewusst wahrzunehmen, auch mal tief durchatmen und möglichst innerlich aus der Situation herauszutreten und die ganze Sache wie von Außen zu betrachten. Wenn ich Glück habe, kommt dann eine Portion Humor dazu, wenn ich sehe, wie ich da mal wieder aus einer Mücke einen Elefanten mache, und dann geht es auch schon besser, weil ich sanfter reagieren kann.

Abends brauche ich vor allem eine warme Tasse Tee, Musik auf den Ohren und ein gutes Buch zum Abschalten oder Zeit zum Bloggen. An echt schlechten Tagen hilft mir eine Meditation mehr als die Berieselung durch eine stupide Fernsehsendung, aber da muss ich mich oft genug auch zu meinem Glück überreden (Fernsehen und mit Chipstüte auf der Couch rumgammeln ist natürlich gemütlicher!). Spätestens am nächsten Morgen macht sich das bei mir dann aber auch bemerkbar.

In dem Zustand, in dem ich ins Bett gehe, starte ich auch morgens wieder in den Tag. Und da ist unentspannt sowas von nutzlos!

Mehr persönliche Tipps, wie hochsensible Mütter ihren Alltag entstressen, gibt es übrigens auf meinem Blog bei Anmeldung zu meinem Newsletter.

 

Welchen Rat würdest du anderen hochsensiblen Müttern geben? Und wenn du Literatur zu dem Thema gelesen hast, möchtest du etwas empfehlen?

 

Achte auf dich! 

Räume dir möglichst viel Zeit für dich in deinen Alltag ein und gib dein Kind auch mal in (liebevolle) andere Hände!

Du bist keine schlechte Mutter, nur, weil du dich nicht 24 Stunden am Tag persönlich um deinen Nachwuchs kümmerst! Nur eine entspannte Mutter kann die beste Mutter für ihre Kinder sein. Also sorge gut für dich, dann kannst du auch gut für dein Kind sorgen.

Ansonsten kann ich (wie so viele) das Buch „Hochsensible Mütter“ von Brigitte Schorr (die übrigens inzwischen Brigitte Küster heißt) empfehlen.

 

Ein Ausblick in deine Zukunft: Welche Eigenschaft darf wachsen, was willst du so bewahren wie es ist und woran möchtest du gezielt arbeiten?

 

Trotz mancher Schwierigkeiten: Es ist gut und genau richtig so, wie es gerade ist! Wie so vieles im Leben halte ich es gerne damit, nichts zu erwarten. Ich finde es sinnvoller, im Hier und Jetzt zu leben und seinen Nutzen daraus zu ziehen. Wie viele Pläne werden tatsächlich verwirklicht?

Vor lauter Arbeit an sich selbst verpasst man mitunter schon mal den Augenblick, aus dem man lernen könnte. Was nicht heißen soll, dass man meiner Meinung nach nicht reflektieren und Dinge beim nächsten Mal anders machen kann. Aber so manches Mal artet „an sich arbeiten“ in übertriebenen Perfektionismus aus, und der ist –gerade für hochsensible Mütter- Gift für ein entspanntes Mutter-Kind-Miteinander.

 

 

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