Langsam, achtsam, echt: „Slow Family“ von Julia Dibbern und Nicola Schmidt

Rezension

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An den Abenden, wenn D-Von im Bett ist und unser kleiner Bubba sich nicht vom Tag verabschieden kann, scharre ich oft genervt und müde mit den Hufen. Eigentlich will ich Erwachsenen-Krempel machen. Sowas wie blutige Krimis gucken, ein Buch lesen oder arbeiten, ohne ein Kind auf dem Schoß, das ständig fragt, ob es das grüne Licht an der Tastatur an und ausmachen kann. Irgendwann dachte ich mir: mir reicht’s jetzt. Wenn schon kein Krimi, dann lese ich jetzt wenigstens. Ätschibätsch. Und ich griff zu „Slow Family“, das schon ein paar Wochen hier herum liegt und auf das ich sehr gespannt war. Und um es vorweg zu nehmen: die Abende mit Bubba, die genieße ich jetzt. Langsamer, achtsamer und echter. Und Julia Dibbern und Nicola Schmidt sind Schuld. Aber fangen wir mal vorne an.

Slow Family: Sieben Zutaten für ein einfaches Leben mit Kindern

Julia Dibbern & Nicola Schmidt

240 Seiten | ISBN:978-3-407-86426-0 | Erschienen:23.01.2017


Manchmal jage ich meine Kinder gehetzt und genervt durch unsere Stadt. „Los beeil dich, wir kommen zu spät!“ – „Geh nicht da drauf, da kacken doch die Hunde hin!“ – „Nee, komm, Echt jetzt. Wir müssen weiter!“

Nie, wirklich nie ist das ein Zustand völliger Erfüllung, ganz im Gegenteil. Eher fühle ich mich von sehr tief innen genervt und gestresst von mir selber, dem Zeit- und Erwartungsdruck und von dem vielen „müssen“. Es resultiert daraus nicht selten, dass meine Kinder Reaktion von mir ernten, die nicht wirklich authentisch ist, sondern schlicht aus Überforderung und Überreizung entsteht. Zum Beispiel, weil ich plötzlich anfange Regeln aufzustellen, ohne die wir sonst wirklich wunderbar leben oder weil ich gemeine Dinge sage, die meiner inneren Gestresstheit geschuldet sind und nicht meiner wirklich, ehrlichen Überzeugung.

Julia und Nicola scheinen das zu kennen – und abgelegt zu haben. Denn in ihrem neuen Buch geht es um Achtsamkeit, Entschleunigung und Genuss. All das geht, trotz einem Leben in der (Groß-)Stadt, Termindruck und Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und es ist bemerkenswert, wie die beiden das vermitteln.

Ich gebe zu: mir fiel der Einstieg schwer. Gleich das erste Kapitel handelt von einem nachhaltigen, grünerem Leben. Von weniger Müll, mehr Zu-Fuß-gehen und weniger Plastiktüten. Ich fühlte mich nicht sonderlich angesprochen. Sicher zum Einen, weil wir hier so umweltbewusst leben, zum Anderen aber auch, weil ich zunächst anderes erwartet hatte. Dass umweltbewusstes Leben was mit „Slow Family“ zu tun haben soll, erschloss sich mir zunächst nicht. Aber dann stellten die Autorinnen klar, dass es nicht darum geht, nach dem Abschließen des Buches nur noch selbst gesammelte Beeren zu essen und im Wald zu leben, sondern um das sich-bewusst-werden. Und damit hatten sie mich.

In „Slow Family“ gibt es keine Rezepte und keine Schritt-für-Schritt-Anleitungen für ein langsameres oder achtsameres Leben. Es gibt nur die Zutaten dafür und dann und wann ein paar Tipps. Besonders sympathisch sind die Anekdoten aus dem Leben der beiden, durch die man zum Einen einen direkten Bezug zu ihnen herstellen und sich andererseits genau so gut identifizieren kann. Der Tenor des Buches ist nicht: fahr runter oder du wirst nicht glücklich! Jag‘ deine Kinder nicht mehr durch die Stadt! Zieh aufs Land!

Sondern: Probier doch mal aus, ob es dir reicht, einen bewussten Schritt nach vorn zu machen, anstatt 4 abgehetzte, genervte, gestresste. Frage dich, welchen Druck du von außen zulässt, ohne, dass es dir und deiner Familie gut tut. Und lasse dich ein auf die Langsamkeit deines Kindes, das du ganz achtsam beobachten und dabei etwas lernen kannst.

Seitdem gibt es viele Dinge, die ich viel bewusster wahrnehmen und deren Langsamkeit ich aushalten kann. Der Weg entlang der Straße bis in den Wald nervt mich weiterhin. Doch die Entdeckerfreude meiner Kinder an den kleinsten Dingen nehme ich bewusster wahr. Vor allem aber hat mich dieses Buch wieder in dieser einen Sache bestätigt, die ich gern selber weitergebe und auch wirklich so empfinde: in kleinen Schritten gehen, langsam eben. Nicht an den eigenen, viel zu hohen Ansprüchen scheitern, sondern sich mit kleinen Erfolgserlebnissen belohnen. Einfach etwas weniger wollen, etwas weniger nehmen, etwas weniger erwarten. Alles etwas weniger schnell.

Slow Family eben 😉

Fazit

Am meisten begeistert und gepackt hat mich der Stil der beiden. Das Buch war ziemlich schnell durchgelesen, einfach, weil es geschrieben ist, als würde man mit den beiden am Tisch sitzen und dabei gemütlich Kaffee trinken. Und auch wenn ich vielleicht nicht so ganz direkt die Zielgruppe bin, hab ich es sehr genossen und viel mitgenommen. Zum Beispiel, die Abende mit meinem Bubba, der den Tag ruhig ausklingen, die Ruhe ohne seinen kleinen Bruder genießen und sein Spiel, seine Zeit einwach viel bewusster wahrnehmen will, zu genießen. Und auch zu begrüßen, denn wenn ich aus Slow Family eins gelernt habe, ist, dass der größte Stress oft aus unserem eigenen Mindset kommt. Und genau das ist die Stellschraube, die wir immer drehen können.

 


Das Buch ist wundervoll und obendrein eignet es sich ganz hervorragend als Geschenk. Für euren gestressten Partner oder eine liebe Freundin, zum Beispiel. Wenn ihr euch entscheidet, es zu kaufen und das über das Bild oben tut, dann werdet ihr direkt zu Amazon weitergeleitet. Ich erhalte für euren Kauf eine kleine Provision, ihr zahlt aber keinen Cent mehr. Das ist doch was 😉

Viel Spaß beim Lesen!

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