Gastartikel der Reihe #ÖkoHippieRabengäste
Hier schreibt Anna. Ich möchte gern Erzieherin werden und bin Tante von zwei wundervollen Knirpsen.
Das letzte Jahr habe ich als FSJ-lerin (Freiwilliges Soziales Jahr) in einem Kindergarten verbracht. Und jetzt muss ich noch ein wenig ins „Schulbuch gucken“, um Erzieherin zu werden. Ich habe hier ein paar meiner Gedanken aufgeschrieben und erhoffe mir, dass meine Worte an junge, angehende Pädagogen gehen und sie ein wenig ermutigen.
Vor ziemlich genau einem Jahr waren meine ersten vier Wochen als FSJ-lerin in einem Kindergarten vorbei. Ich war voll mit neuen Eindrücken, fast schon überrannt. Viele neue Namen. Neue Menschen. Viele Mamas und Papas. Ein lauter und aufregender Tag. Zu der Zeit war ich mir noch gar nicht so sicher ob dass, das Richtige für mich ist…
Ich durfte in meiner Anfangszeit viele Eingewöhnungen miterleben. Für mich eine Zeit, die mich sehr bewegt hat. Mein erster Instinkt war sofort, für die kleinen, zarten Kinder muss es doch schrecklich sein. Ich war so erschrocken. Wie man mit den „frischgebackenen“ einjährigen Kindern umgegangen ist. Mit der Begründung „Das macht man so!“ Ich sah verzweifelte Mamas und weinende Kinder. Ich ging jeden Tag mit einem traurigen Gesicht und mit den Gedanken an die weinenden Kinder nach Hause. Wie furchtbar ich das finde, die ersten paar Tage darf Mama mit in den Kindergarten zum Spielen und ab dem 5. Tag dann plötzlich nicht mehr? Egal wie schwer es dem Kind gefallen ist, die Mama musste raus… „Sonst gewöhnt sich das Kind ja daran und die anderen Kinder wollen ja dann auch zu ihrer Mama!“ Wenn ich jetzt noch an die Kinder denke, die unter Tränen den ersten Mittagsschlaf im Kindergarten machen mussten, zerreißt es mir das Herz. Die kleinen Wesen allein in einem Gitterbett in einer völlig neuen, unbekannten Umgebung…
Mich haben diese Gedanken einfach nicht losgelassen und ich traf oft auf Unverständnis. Mir wurde häufig gesagt, nur so lernen Kinder. Ein paar Mal weinen lassen, dann merkt es, dass keiner kommt und es hört auf. Schon das Schreiben solcher Worte fällt mir schwer.
Ich war immer die, „die nicht schimpft“, die „alles erlaubt“, die sich „nicht durchsetzen konnte“. Trotz, dass ich all das nicht konnte, hatte ich das Gefühl von jedem Kind akzeptiert zu werden, ich habe innerhalb kurzer Zeit jedes Kind sehr gut kennengelernt, ich baute Beziehungen auf. Die sogenannten „Problemkinder“ waren bei mir kein Problem, ich konnte mit dem schüchternsten Kind laut lachen, ich habe jeden Streit ohne Drohungen lösen können und alle Kinder begegneten mir mit einem Lachen. Was auch immer los war, die Kinder kamen zu mir. Sie erzählten mir von ihrem Streit und ihren Sorgen und das nicht, weil sie wussten „die schimpft sowieso nicht“. Ich denke, Kinder nutzen uns nicht aus. Was lässt uns zu diesem Gedanken kommen? Wir wollen immer erreichen, dass Kinder auf uns hören, dass sie wissen: Erwachsene sind Respektpersonen. Erwachsene wollen, dass Kinder das tun, was sie wollen. Ist das nicht eigentlich verrückt? Wir sind alle Menschen, Kinder genauso wie Erwachsene und wir Erwachsenen genauso wie Kinder. Wir alle machen Fehler. Aus Fehlern lernen wir. Erwachsene und Kinder. Das macht mich oft sehr nachdenklich. Ich habe mit den Kindern ganz viel gesprochen und erklärt. So viele Konflikte konnten sich lösen. Reden löst so viele Probleme. Ich habe gemerkt, dass ein gemeinsames Gespräch Wunder bewirken kann. Auch mit einem Drei- oder Vierjährigen… Was mir dazu gleich einfällt, ist eine Situation mit meinem Neffen an einem unserer Tantetage…
Wir haben viel gebastelt. Mit Bausteinen gebaut. Alles lag herum und in jeder Ecke was versteckt. „Lass uns aufräumen“ sagte ich. Daraus wurde irgendwann „räume jetzt auf!“ Immer so weiter… Tränen kullerten aus dem müden Gesicht meines Neffen. Ich war erschrocken. Von mir. Fühlte mich schuldig für seine Tränen. Ich hatte übersehen was wichtig war. Aufräumen? Oder gemeinsam schnell ins Bett kuscheln? Ich war gestresst. Geschafft von der Woche. Müde. Und E. irgendwie auch. Aufräumen wollten wir beide nicht. Jedoch bestand ich auf das Aufräumen. Erst nach ein paar Minuten Innehalten wurde mir bewusst, was eigentlich viel wichtiger war. Der Schlaf. Und beim Einschlafen sagte mir ein müdes Kind, „den Rest machen wir morgen oder? Jetzt sind wir einfach zu müde, ich konnte vorhin nicht aufräumen.“ Ich entschuldigte mich für meine Wut.
Ich redete mit ihm. Denn genau diese Worte, aus dem Mund eines Dreijährigen, waren einzig und allein richtig. Wir haben gemeinsam gelernt und räumen immer auf, wenn er bei mir ist. Aber vorher entscheide ich, was jetzt wichtiger ist, als ein aufgeräumtes Zimmer… Bisher haben Worte bei einer Auseinandersetzung immer geholfen. Worte heilen. Reden anstatt zu bestrafen und zu schimpfen. Ich weiß noch aus meiner Zeit im Kindergarten wie schwer das manchmal war. 12 Kinder um einen herum, alle wollen gehört werden, wollen Aufmerksamkeit, möchten beachtet werden… Und manchmal geht eine Auseinandersetzung auch schief, man wird lauter und schimpft. Genau wie ich sagte: „Räum jetzt auf!“ Aber genau aus solchen Situationen habe ich gelernt. Wie ich schon schrieb, wir alle machen Fehler. Und Kinder verzeihen. Ich habe noch nie einen erwachsenen Menschen erlebt, der eine Entschuldigung so schnell nachvollziehen und verstehen konnte wie ein Kind. Mein Neffe sagte, nachdem ich mich entschuldigte: „Anna ich bin doch auch so müde, ich weiß das!“. Und genau diese Worte helfen mir immer wieder zu wissen, dass ich in meinem Denken nicht falsch bin. Auch wenn ich sehr oft zu hören bekomme, „eine Erzieherin muss sich durchsetzen, ein bisschen Zucht und Ordnung braucht jedes Kind.“ Am Anfang hat mich das verunsichert, ich dachte irgendwann „ich bin falsch.“. Doch durch meine Erfahrungen, die ich in meinem Jahr machen durfte, bin ich in meiner Denkweise gestärkt worden. Auch wenn das seine Zeit gebraucht hat.
Darum sollen meine Worte an junge, angehende Pädagogen gehen!
Handelt so, wie es für euer Herz richtig erscheint. Ich habe auch lange gebraucht, um zu dieser Erkenntnis zu erlangen. Gegen den Strom schwimmen, ist nicht immer einfach! Eignet euch Hintergrundwissen an, dass war es, was mir geholfen hat. Ihr müsst niemanden überzeugen, wichtig ist nur, dass ihr von eurem Handeln überzeugt seid!
Für mich ist der größte Dank ein glückliches, lachendes Kind zu beobachten.
11 Antworten
Vielen Dank liebe Anna für diesen Beitrag!
Viele junge Erzieherinnen haben noch genau dieses MItgefühl, und die jungen Eltern auch, aber den meisten wird es erfolgreich wohlmeinend „aufgetrieben“, und danach sprechen sie genau so…
Ich selbst habe auch auf meinen Instinkt gehört, damals gegen absolut alle Aussenstehenden, nur mein Mann hielt zu mir. Und wir sind jetzt so unendlich froh, nach unserem inneren wissen und nicht nach dem von außen an uns herangetragenen „Das muss so“ gehandelt zu haben <3
Danke für diesen Bericht. Du sprichst mir aus der Seele. Ich hab inzwischen ein 6-jähriges glückliches Schulkind. Wir hatten einen wunderbaren Kindergarten, allerdings erst, nachdem wir in der ersten Einrichtung abgebrochen haben. Noch heute steckt mir diese Erfahrung in den Knochen. Damals hätte ich dich gebraucht.
Es freut mich sehr, dass dir mein Beitrag gefällt. Schade, dass ihr eine schlechte Erfahrung mit eurer ersten Kita hattet. Deswegen freut es mich, dass ihr jetzt ein glückliches Schulkind habt!
Alles Liebe!
Anna
ein „glückliches“ schulkind. gibt es so etwas wirklich? ist schule nicht etwas, was einem 12 jahre der kindheit raubt und zu angepassen mitläufern macht, anstatt selbstständige, individuelle persönlichkeiten? wenn kinder die wahl hätten, würden diese freiwillig für 12 jahre ihres lebens jeden tag in die schule gehen, sich von fremden beurteilen lassen und eingetrichtert bekommen, was sie ja noch nicht wissen und was sie unbedingt, zu diesem zeitpunkt, lernen müssen?
wie schön, dass dich die Kleinen hatten und nicht nur die routinierten das-macht-man-halt-so Betreuerinnen.. schüttel… mir bricht es auch immer das Herz, wenn Kinder so lieblos und ungehört behandelt werden. Und du bist glücklicherweise nicht mehr allein in deiner Denk- und Handlungsweise!
Danke und bitte lass es dir in der Routine nicht abgewöhnen.
Liebe Constanze,
ich weiß mittlerweile auch, dass ich in meiner Denk- und Handlungsweise nicht allein bin. Damals habe ich mich aber oft allein gefühlt… Ich denke noch oft an die Kinder, die ich nach einem Jahr verlassen musste und hoffe, dass es ihnen gut geht und das sie vielleicht jemand anderen haben der sie hört & respektiert als eigenständige Person.
Alles Liebe dir!
Anna
Liebe Wibke,
vielen Dank für deine Worte. Ich denke auch, dass (angehende), junge Erzieher*innen eigentlich noch so mitfühlend und verständnisvoll sind, so dass sie für ihren Beruf gut „gewappnet“ sind. Doch leider geht das verloren wenn man nicht alternativ denkt und sich auch traut anders zu handeln. Das fällt mir auch manchmal noch schwer. In vielen Köpfen herrschen leider noch die alten „Zucht und Ordnung“ Gedanken.
Ich wünsche dir & deiner Familie Alles Liebe
Anna
Liebe Anna,
ein ganz ganz toller, wichtiger und wertvoller Beitrag! Ich bin selbst Pädagogin („Erzieherin“ finde ich als Wort unpassend) und glaube, zu kennen, was du erlebt hast. Meine erste Arbeitsstelle nach der Ausbildung habe ich nach 9 Monaten mit Burn-Out und Depression verlassen, ich sah am Feedback der Kinder und Eltern, dass ich „richtig“ bin, meine KollegInnen sagten mir etwas anderes und mobbten mich, die Leitung interessierte es nicht. Du machst das ganz großartig, weiter so!
Liebe Theresa,
ich kann dich so gut verstehen, mir ging es ähnlich! Furchtbar, dass man wegen Kollegen die einen nicht verstehen, krank wird. Dabei bin ich sicher, wir machen es richtig. Irgendwie haben mir diese Erlebnisse auch Kraft gegeben, um es einmal besser zu machen.
Ich wünsche dir alles Gute & hoffe du darfst jetzt in einer Einrichtung arbeiten in der du respektiert wirst.
Anna
Möchtest du bitte mein Kind betreuen? Bin auch Erzieherin und hab jetzt schon Angst vorm Kitastart meines Großen. ..
Ich auch 🙁 Spiele aber ganz stark mit dem Gedanken, mir eine Stelle zu suchen, bei der ich mein Kind mitbetreuen kann. Finde das Konzept „Ich bringe mein Kind in die Kita, damit ich in eine andere Kita gehe, um dort andere Kinder zu betreue“ nämlich für mich nicht sinnvoll. Zwar muss ich wahrscheinlich mit einigen Auseinandersetzungen rechnen müssen (wie zum Beispiel den Vorwurf, ich würde mein Kind bevorzugen oder so), aber einen Versuch wäre es wert!