Neulich im Gespräch mit meiner Freundin. Wir reden über nette Gesten anderer Menschen, die unser Herz erwärmen. Den Kaffee ans Bett gebracht zu bekommen, eine Hand auf der Schulter zu spüren, eine einfühlsame Nachricht oder ein einfach-so-gekochtes Essen. Wir sind uns einig, dass das unglaublich gut tut und dass auch wir das gerne geben – von Herzen. „Aber“, sagt sie „da wäre noch ein wichtiger Punkt, finde ich, so für eine Beziehung zum Beispiel. Wenn ich nämlich merke, dass jemand etwas nur tut, weil er denkt, ich will das so oder weil er denkt, dass ich ihn dann dafür liebe, dann finde ich das furchtbar unattraktiv. Richtig unsexy!“ Ich applaudiere, hüpfe, feiere sie so hart für diese Aussage, die mit mir plötzlich in Resonanz geht wie sonst nichts: Ja! Bedürfnisbefriedigung is part of the package, keine Frage. Aber so richtig sexy, so Klamotten vom Leib reißen und Fahrt aufnehmen – das kann nur Selbstliebe!
Warum Selbstliebe dich innen und außen „sexy“ macht
Ich erinnere mich noch gut daran, wie es war, als ich mich am Boden meiner Selbst befand. Vor lauter Erschöpfung war ich gar nicht mehr in der Lage etwas anderes zu denken, als Fluchtgedanken. Ging aber nicht, redete ich mir ein, das Flüchten, weil da schließlich Kinder und ein Partner waren und überhaupt läuft „man“ nicht einfach weg, wenn „man“ „erwachsen“ ist. Also fristete ich mein Dasein, in der tiefen Hoffnung, dass eines Tages eine Zeit kommen würde, in der es mehr selbstverständliche Zeit für mich geben und mich keiner mehr so dringend brauchen würde. Ich war überzeugt: Wenn meine Kinder größer sind, dann habe ich wieder Zeit für mich, dann rasiere ich mir mal wieder die Achseln, dann liebt mich mein Mann bestimmt auch noch mehr und dann, ja dann, dann wird es ein schönes Leben.
Diesem Trugschluss unterliegen so viele von uns! Hochsensibel oder nicht, übrigens. Wir knüpfen unseren Zustand der Glückseligkeit und Selbstfürsorge an äußere Umstände. Wir denken, dass jetzt gerade eben nicht die Zeit ist für Gefühlsduseleien oder dafür, sich im Bad einzuschließen um zu baden – nicht, um ungestört und vor lauter Erschöpfung zu weinen. Letzteres geht klar, aber hey, Baden, einölen, dem eigenen Körper etwas Gutes tun und die Seele streicheln? Bist du irre, ich hab Kinder! Die Wahrheit aber ist, dass wir genau dann liebenswert werden. Nicht, weil wir nach dem Baden gut riechen oder die Haut plötzlich so glatt ist – sondern weil eine geliebte Seele in einem gesunden Körper wohnt und von dort aus ihr Glück und ihre Zufriedenheit ausstrahlt. Und DAS ist verdammt attraktiv.
„Siehst du heute wieder scheisse aus!“ darf auch mal sein!
Lange Zeit dachte ich daher, dass meine Selbstfürsorge-Praxis also einem ausgedehnten Ritual im Badezimmer weichen müsste. Wenn man mir die Selbstliebe „ansieht“, dann bin ich schön. Aber auch hier, leider: Pustekuchen. Ich werde in diesem Jahr 33 Jahre alt, liebe mein Leben, meine Familie, meinen Mann, meine Kinder, sogar meine schwierigsten Baustellen liebe ich! Oh ja und wie! Und trotzdem – meine Haut ist verpickelt. Ich habe das Übergewicht nicht verloren und meine Haare sind weiterhin meine größte „Problemzone“. Echt jetzt, ich habe dauernd was an mir herumzumeckern, doch das tue ich nicht, damit mir jemand in meiner Umgebung sagt, wie schön ich bin. Stattdessen stehe ich morgens auf und grüße mich selbst freundlich im Spiegel. „Guten Morgen, Kathrin“, sage ich dann etwa und „Du siehst heute ja echt wieder aus wie in der fünften Klasse!“ Und dann grinsen wir beide frech um die Wette und freuen uns auf den Tag. Ganz einfach, weil wir genau wissen, mein Spiegelbild und ich, dass wir unser Leben zusammen verbringen werden. Dafür laufen wir weite Strecken zusammen, manchmal auf holprigen Wegen – und ein freundliches Gespräch ist da doch wirklich das Mindeste.
Meine Pickel und die spröden Haare nehmen wir mit, in dem Wissen, dass es sowas von gar nicht um mein äußeres Erscheinungsbild geht. Es geht nämlich streng genommen nicht darum, jemanden zu finden, der uns Komplimente macht und eigentlich auch gar nicht um jemanden, der uns den Kaffee ans Bett bringt oder die tröstende Hand auf die Schulter legt. Worum es geht ist, eine tiefe innere Überzeugung zu entwickeln, dass all das vollkommen bedeutungslos ist. Die Pickel, die Haare, der Kaffee. Es sind meine Worte und Werte, meine Überzeugungen und meine Bedingungslosigkeit, über die ich mit sehr wichtigen Menschen in Beziehung gehe, die mir Horizonte eröffnen und neue Wege ebnen. Die mir Menschen in mein Leben ziehen wie meine Freundin, die mich wortlos verstehen kann. Und das liebe ich an mir am meisten.
„Lieb dich selbst, verdammte scheisse!“- My ass. Worum es wirklich geht.
Ich google Selbstliebe und finde Tools und Anleitungen, Guides und Meditationen. „VERDAMMT NOCHMAL, LIEBE DICH DOCH ENDLICH SELBST“ scheint mir die Suchmaschine entgegen zu brüllen. Es ist so perfide, wie es traurig ist: In diesem Außen, im worldwideweb, gibt es jede Menge Wege, sich selbst mehr zu lieben. Dabei ist die Antwort nach dem Gespräch mit meiner klugen Freundin so unglaublich offensichtlich: Bring den verdammten Kaffee bitte einfach nur dann ans Bett, wenn du Bock drauf hast. Nicht, weil du armer geprügelter Hund denkst, dass ich dich dafür streichle. Weil du kein Hund bist – that is how easy it is.
Was dich liebenswert macht, sind nicht so sehr deine Taten, sind nicht so sehr die Brote die du schmierst und nicht so sehr die geputzte Bude – selbst wenn du weißt, dass sich alle dann wohler fühlen. Was dich anziehend macht, sind die Momente, in denen du auf all das scheißt und voller Selbstliebe sagst: „Komm, wir kuscheln vorm Fernseher!“ oder „Wir gönnen uns jetzt die bestellte Pizza“ oder „Ja mein Gott, die paar Pickel… wen interessieren die schon?“ oder „Hol‘ dir deinen Kaffee bitte selbst – ich will gerade nicht aufstehen.“ Das bist du dir wert! Das darfst du dir wert sein. Zu absolut jeder Zeit und Phase deines Lebens.
Das, mein(e) Liebe(r), macht dich unermesslich schön.
Ich würde sagen, du fängst am Besten gleich damit an.
In diesem Sinne: Sei gut zu dir selbst!
Alles Liebe,
Deine Kathrin
*Empfehlung zum Weiterlesen (weil gut!): 8 Dinge, die Menschen mit viel Selbstliebe anders machen
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