Stillberatung ist Abgrenzungsberatung! Wie du lernen kannst, nur auf dich selbst zu vertrauen

Als ich die Ausbildung begann, hatte ich noch völlig falsche Vorstellungen meiner Beratungsarbeit. Ich dachte, Stillberatung würde sich darauf beschränken, pseudo-feministischen Frauen, die nach wenigen Monaten ihre Brüste wieder für sich ihren Partner haben wollten, in einem Anflug von altruistischer Güte davon zu überzeugen, dass Stillen Engelsgesang gleich kommt und sie es doch bitte – zum Wohl des Kindes, der Welt, der Gesellschaft!!!einself!!1!! – weiter machen mögen. Aber so kam es nicht. Nicht ein einziges Mal.

Stattdessen standen plötzlich Frauen vor mir, die nur unter Tränen überhaupt einen Teil ihrer Geschichte preisgeben konnten. Da waren Geschichten, die so herzzerreißend waren, dass ich nicht wusste, wohin mit mir. Und es war Schmerz. So viel Schmerz, dass ich mich oft fragte, ob ich das würde aushalten können. Aber ich konnte, kann noch immer und heute, knapp zwei Jahre und viele Beratungen später, bekomme ich bei meinen eigenen Worten nicht selten Gänsehaut.

 

Tränen beim Stillen sind nicht selten - doch selten ist es die Schuld oder Unfähigkeit der Mutter selbst.

Tränen beim Stillen sind nicht selten – doch selten ist es die Schuld oder Unfähigkeit der Mutter selbst.

 

Lohnt es sich, zu stillen?

Erst kürzlich stand wieder eine Frau vor mir, die mir mit einem dicken Kloß im Hals von einer sehr traumatischen Geburt berichtete, unter der sowohl sie, als auch ihr Kind eine ganze Weile hätten zu knabbern gehabt. Ihr Umfeld sei wenig unterstützend gewesen, habe es sicher gut gemeint, aber nicht gut gemacht. Nun erwarte sie das zweite Baby, in voller Sorge um eine weitere misslungene Stillerfahrung und das endgültige Gefühl im Bauch: „Ich bin ein Versager. Ja, ich bin zu dumm, mein eigenes Kind zu ernähren.“ Um sie herum stehen Menschen Schlange mit Ratschlägen, die Angst schüren. Sie solle besser vorsorgen und gleich Milchpulver kaufen, sich bloß nicht zu sehr darauf einstellen, wieder stillen zu wollen – ach, die Hoffnung lieber gleich aufgeben. Sie würde es eh nicht schaffen. Hat es beim ersten Mal schon nicht geklappt, ist doch beim zweiten Mal jeder Aufwand zu schade.

Die Frau erzählt mir Ihre Geschichte und wir beide kämpfen mit den Tränen. Ich bin Mutter, gerne sogar, an jedem einzelnen verdammten Tag und ich stille. Und ich weiß, was das mit dir anstellen kann.

 

Stillen ist nicht einfach das Anlegen eines Babies an eine Brust

So gern die behandschuhten Krankenschwesterhände es auch bei dieser simplen Abfolge belassen würden. Doch so ist es nicht. Tatsächlich ist es ein kostbares, nicht erklärbares Zwischenspiel von Kopf, Brust und deines Babies. Das eigene Baby zu stillen gibt dir – nicht zuletzt, weil das außer dir niemand sonst tut – ein Gefühl der Unersetzbarkeit. Ich habe Frauen erlebt, die beim Gedanken daran, einen Unfall haben zu können, als erstes Sorge um die Ernährung ihres Kindes haben, denn um die emotionale Schwere und Trauer aller Angehörigen, ihr eigenes Wohl oder den Nachlass. Nein, ein Baby zu stillen ist für Frauen, die sich dazu entschieden haben, ein wertvoller Moment, eine ernste und wichtige Aufgabe, und sein Gelingen gleicht einer Supermacht.

Es ist also schwer genug, diesen Frauen, wann immer es nicht gelingt, klar zu machen, dass es sie nicht zu einer schlechteren Mutter macht, wenn sie nicht stillen. Es macht sie einfach nur zu einer Mutter, die nicht stillt. Ich bewerte das weder noch beurteile ich es. Letztendlich verfahre ich ähnlich wie bei meinen Kindern, die eine für sie wirklich wichtige Sache nicht oder noch nicht schaffen können: ich tröste.

 

Trost oder Selbstschutz – wie reagiert dein Umfeld?

Freunde, Familie, liebende Menschen deiner Umgebung – sie alle werden auf eine Beziehung, in der dein Ex-Freund für viele Tränen gesorgt hat, immer mit Bauchweh zurück blicken. „Zum Glück ist es vorbei“ sagen. Und ganz gleich, wie sehr du an dieser Beziehung hängst, auch wenn sie weh tat – deine Eltern werden denken, dass es von vornherein ein Fehler war, sich mit „so einem“ eingelassen zu haben.
Sie werden bei allen Freunden und Liebespartnern, die du in Zukunft aussuchst, ihre Bedenken äußern. Sie werden dich bitten, dieses Mal vorsichtig zu sein und sie werden dir von dem Risiko abraten. Vielleicht werden sie dir sagen, du solltest dir einen anderen suchen und vielleicht haben sie sogar Recht und die Beziehung mit einem anderen Typen wäre viel einfacher. Ihre Ratschläge sind in den allermeisten Fällen Ausdruck ihrer Liebe zu dir und auch ihrer Angst. Ihrer Angst davor, dich wieder so verzweifelt, so verletzt zu sehen, selbst wenn das Schicksal vielleicht etwas ganz anderes mit dir vor hätte. Doch du musst diese Entscheidung ganz allein treffen. Denn es ist schließlich dein Leben und es sind deine Beziehungen.

Dein Baby zu stillen ist eine Beziehung. Eure Stillbeziehung beginnt beim ersten Anlegen und endet nicht mit schlaflosen Nächten, Milchstau und entzündeten Brustwarzen sondern dann, wenn IHR sie beenden wollt. Das kann sein, weil es einfach nicht schmerzfrei oder problemlos klappt, das kann mit Blockaden oder anderen Schwierigkeiten zusammen hängen oder es kann einfach der Wunsch nach Individualität sein (wie ich auch erst lernen musste: deine Brust, deine Regeln! Gilt auch für die, vor denen ich erst Vorurteile hatte. Keine Sorge, die habe ich heute nicht mehr). Eine Beziehung betrifft mindestens zwei Menschen – manchmal aber eben auch nur die, nicht alle anderen.

 

Deine Brust – deine Regeln!

In Bezug auf deine Stillbeziehung heißt das: solange wir keinen Reißverschluss an Brüsten anbringen können, um kurz herein zu schauen, wie viel Milch sie produzieren, haben alle Außenstehenden, die dir sagen, dein Kind habe nur Hunger weil du nicht genug Milch hast, UNRECHT. Solange wir nicht ein- und dasselbe Kind in ein- und derselben Lebensphase einmal gestillt schlafen und einmal mit Flasche schlafen legen, wissen wir alle nicht mit Gewissheit, ob es WIRKLICH mit Pre durchschlafen würde oder nicht. Dafür bräuchte es einen Rückspulknopf am Baby und den habe ich noch nicht entdeckt. Bis dahin also: alles nur wilde Vermutungen! Und so lange wir davon ausgehen, dass Stillen gesund, artgerecht, natürlich und dem Nährstoffbedarf des Babys immer optimal angepasst ist, schützen wir dieses Stillen so lang, wie es geht und wie die Mutter es will und das auch, obwohl die um uns herum lauernden Stimmen etwas anderes behaupten. Wir würden das Baby verwöhnen und es würde uns auf der Nase herum tanzen, zum Beispiel.

Schließlich könnte der verruchte Typ, von dem deine Mutter gesagt hat, du sollst bloß die Finger von ihm lassen, deine große Liebe werden. Und vielleicht könnte das Stillen, das alle (und du auch?) als zum Scheitern verursacht ansehen, ja deine große Chance werden, etwas ganz Neues zu erfahren.

 

"Never stop trying" - grenze dich ab und versuche es. Du kannst nur gewinnen!

„Never stop trying“ – grenze dich ab und versuche es. Du kannst nur gewinnen!

 

Verpass‘ nicht deine Chance, es zu probieren – und am Ende vielleicht zu gewinnen!

Ich glaube: wenn wir Dinge nicht ausprobieren und sie direkt in gut zugeklebte Kartons verstauen, bereuen wir in ein paar Jahren vielleicht, es nie versucht zu haben. Aber der Mut, es zu probieren, der hält uns oben. Auch dann, wenn wir gescheitert sind. Wir schützen uns aus Angst vor dem Scheitern vor einer Sache, die uns – und wenn es nur für wenige Wochen ist – glücklich macht. Wie der traurige Mitfünfziger, der noch immer jeden Abend in sein Bier weint, weil er einen Job macht, den er hasst, anstatt seinen Traumjob wenigstens mal probiert zu haben.

Ich wünsche mir für alle Mütter, die stillen wollen, schon gestillt haben und nicht gut unterstützt oder begleitet worden, oder die aktuell nicht stillen wollen, nur: dass diese Entscheidung eine ist, die aus DIR heraus kommt. Die dir deine innere Weisheit signalisiert und die ganz alleine dir gehört. Deine Brust, deine Regeln. Die anderen, mit ihren Tipps und Ratschlägen, die können mit ihren Brüsten ja schließlich auch machen, was sie wollen.

 

Glaub‘ an dich und grenze dich ab!

Ich wünsche dir, dass du – und ich wiederhole: DU! – erkennst, dass viele Baustellen rund um eure Beziehung herum für Ihr Scheitern gesorgt haben. Dass nicht DU Schuld bist, dass es nicht geklappt hat, sondern äußere Umstände, schlechte Begleitung, eine fehlende Stillberaterin. Ich wünsche dir ein wohlwollendes, liebevolles Umfeld, das dir Kraft schenkt und dich hält, wenn die eigenen Beine zu schwer werden.

Ich wünsche dir Tränen. Tränen der Erlösung, wenn dir Menschen einfach zuhören und da sind, anstatt nur auf die nächste Gesprächslücke zu warten, um endlich ihre Tipps loszuwerden. Und Tränen der Erleichterung, wenn dein Leid endlich schwindet und aus Wochen der Anspannung endlich sowas wie ein Rhythmus wird.

Ich wünsche dir eine gute Stillberatung. Eine, die wenig redet und viel sagt. Und die zuhören kann. Die dich wissen lässt, dass nichts davon jemals allein nur deine Schuld ist und du keine Versagerin. Und dass es immer viele Wege sind, die nach Rom führen.

Oder zu einer liebevollen, schönen Beziehung zu deinem Kind.

 


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AFS, LLL, DAIS.

2 Antworten

  1. Sehr schön, danke! Das würde ich alles so unterschreiben und bekomme direkt Lust, Stillberaterin zu werden,,, 😉

    Wobei ich ja glaube, die besseren Stillberaterinnen sind wahrscheinlich die, bei denen es auch Probleme gab – weil die sich besser hineinversetzen können… Oder?

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