Was du für mich bist.

„Ich liebe dich“, sage ich zu dir, als du den Kopf zum Mittagsschlaf ins Kissen legst. „Ich weiß“, flüsterst du.
Ich sehe dich an. Sehe deine sanften, zarten Gesichtszüge, die aussehen wie gemalt. Deine dicken, vollen Haare, die dir leicht in die Stirn fallen. Ich kenne jeden Zentimeter, kenne deine Geräusche. Ich spüre deine Emotionen, sehe deine kleinen und großen Zeichen und Gesten, höre dich atmen, schnaufen, rieche deine Haut, spüre deine Wärme. Und denke: „Nein. Nein, du hast nicht die leiseste Ahnung.“

Du wirst fünf Jahre alt und weißt nur einen Bruchteil. Ich hingegen weiß, dass ich dir das alles eines Tages erzählen werde. Irgendwann, eines Tages, wirst du wirklich verstehen. Du wirst hören, verstehen und spüren, so tief wie du alles spürst, was du in meine Welt gebracht hast, durch nichts weiter als deine Existenz. Nur deine Geburt. Nur dein bloßes Sein.

 

Du weißt noch nicht, was du für mich bist.

Du weißt noch nichts von diesem Blog. Du weißt noch nichts von den Texten über dich, deine Gefühlswelt, unser gemeinsames Leben, über unser so kompliziertes Ankommen, die ich seit Jahren schreibe. Du weißt noch nichts davon, wie unfassbar vielen Menschen du dadurch geholfen hast. Einfach nur dadurch, dass DU bist wie du bist und ich dich beobachten durfte. Du weißt noch nichts von den Tiefen, durch die ich gestiefelt bin und hast noch keinen blassen Schimmer davon, wie sehr du es warst, der mich da raus gerissen hat! Du weißt nichts von den Stunden, Tagen, Wochen, in denen ich auf dem Boden deines Zimmers saß und weinte. Nicht aus und nicht ein wusste. Von den tausend Momenten, in denen ich alles hinschmeissen  wollte. In denen ich euch verlassen wollte, überzeugt davon, die schlechteste Mutter auf der Welt zu sein. Du hast nicht den Ansatz einer Ahnung davon, wie dein Lächeln, dein Lachen, dein Weinen, deine Wut, dein Schmatzen und im Schlaf sabbern mich in den tiefsten Poren meines gesamten Systems berührt. Wie einfach alles, was du tust und nicht tust, für mich an göttliche Perfektion grenzt. Du weißt vielleicht, dass ich dich liebe – für den Moment. Aber du weißt ja gar nicht, nein wirklich gar nicht, wie unendlich dankbar ich dir bin. Für immer sein werde.

 

Ich liebe dich für alles, was du bist und eines Tages wirst.

Für deinen umfassenden Blick und diese tiefen Emotionen, die dich herausfordern – keine Frage. Aber die diese Welt so braucht. Irgendwann eines Tages wirst du begreifen, dass du es warst, der mir meinen Traumjob brachte. Dass du es bist, jeden Tag, jede Woche, der meine Leidenschaft und meine Motivation ist, Familien in den dunkelsten Stunden ihres Zusammenlebens zu begleiten. Du hast noch absolut keine Ahnung wie viele es sind, was du in diesen fünf Jahren schon für Liebe und Verständnis gesät hast, ohne überhaupt davon zu wissen. Menschen, die zu uns kommen und sich Zuhause fühlen. Menschen, die Babies haben wie du eins warst und die sich angekommen fühlen, weil wir so sind wie sie. Kinder, die sich in meiner Nähe wohlfühlen weil ich aus tiefster Seele und vollem Herzen denke und zeige: du bist sowas von fantastisch, so, wie du bist. Jedem einzelnen von ihnen. Den Kindern. Und den Müttern.

 

Schier unendliche Dankbarkeit.

Nein mein Sohn, all das weißt du noch nicht. Du wirst fünf und legst den Kopf zum Mittagsschlaf ins Kissen – und für den Moment ist das auch alles, was du tun musst. Da sein. Nur bei mir sein. Denn ohne es zu wissen, gibst du mir genau damit Kraft, Energie, Lebensfreude. Jeder deiner Atemzüge ist ein Geschenk an die Welt, dessen unschätzbaren Wert ich sehe und für den ich mich tief verbeuge. Und ich weiß: viele viele andere auch.

„Ich liebe dich auch“, flüsterst du noch, bevor aus deinem tiefen Atem ein ausgedehntes Schnarchen wird. Ich sehe deine Haut, die mir so vertraut ist, spüre wie Ruhe einkehrt und meine Liebe zu dir ins Unermessliche steigt.

All das erzähle ich dir heute noch nicht. Es bleibt mein Geheimnis und meine Vorfreude auf den Tag X, an dem ich dir aus vollem Herzen erzählen kann, wie du mein Leben verändert hast. Zum so unendlich viel Besseren.

„Ich weiß“, flüstere ich und schließe die Augen. Ich weiß.

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4 Antworten

  1. Oh welch schöne Worte und ich fühle mich direkt in der Situation, welche hier ähnlich auch vorkommt. Diese unfassbar grosse Liebe zu dem Kind – einfach weil es da ist! Ich bin auch so dankbar, diese bedingungslose Liebe zu meinen Kindern so intensiv spüren zu dürfen!
    Danke für deinen Text !

  2. Oh Gott, ich weine. Welche unermessliche Liebe. Wenn er das eines Tages erfährt, wieviel Ihr in der Welt verändert habt. Du durch ihn. Du durch Dich, weil er Dich zu Dir gemacht hat. Und er selbst, einfach durch sich. Es ist einfach unvorstellbar, wie es für ihn sein wird. Er wird die Welt weiter verändern. Er wird das weiter tragen. In die Welt. Revolution, unstoppable.

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